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Tinker-Kate und die geheime Bruderschaft

Tinker-Kate und die geheime Bruderschaft

Titel: Tinker-Kate und die geheime Bruderschaft
Autoren: Steve Hogan
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unheimlich, was da seit einigen Wochen passiert.“
    Kate nickte düster. Sie wusste etwas mehr über die Mordserie als der normale Londoner Zeitungsleser, aber das musste sie Sally Whitcombe ja nicht auf die Nase binden. Gewiss, die sommersprossige Verkäuferin war beinahe so etwas wie eine Freundin für Kate. Aber trotzdem hatte die Dampfkutter-Pilotin ein Geheimnis, das sie nur mit wenigen Menschen teilte.
    Die Zeitungsmeldungen konnten ihre Kenntnisse über die Morde trotzdem noch ergänzen. Immerhin war es ja möglich, dass ein Journalist unerwartet etwas Wichtiges herausfand. Bisher hatte die Londoner Presse allerdings nur mit wilden Spekulationen geglänzt. Den Beamten von Scotland Yard wurde Unfähigkeit vorgeworfen, und manche Schreiberlinge machten sogar Vampire für die mysteriösen Todesfälle verantwortlich.
    Kate legte ein Sixpence-Stück für die Zeitungen auf den Tresen.
    „Hier, Sally. Nach den Morden in Ealing und Camden Town schien es ja so, als ob dieser stumme Hausierer der Täter wäre. Aber als er dann im Zuchthaus saß und die Bluttaten von Kensington und Hammersmith begangen wurden, musste man ihn wieder laufenlassen. Es ist, als ob ganz London hinter einem Phantom herjagen würde. Es scheint auch keine Gründe für die Taten zu geben – außer Blutgier.“
    Die Zeitungsverkäuferin nickte eifrig. „Ja, das habe ich auch gelesen.“ Sally senkte die Stimme. „Allerdings gibt es auch einige Leute, die trotzdem an die Schuld des Hausierers glauben.“
    „Und wie soll er das gemacht haben, wenn er in Warping hinter Schloss und Riegel war?“
    „Wenn er ein Blutsauger ist, dann kann er vielleicht durch Wände gehen oder sich in eine Fledermaus verwandeln.“
    Kate wusste nicht, was sie davon halten sollte. Vor einigen Jahren war an den Bühnen des Westends ein Stück über Vampire aufgeführt worden. Seitdem waren die Londoner ganz verrückt nach diesen untoten Wesen aus der Märchen- und Sagenwelt. Ganze Romane und Schauergeschichten waren schon über die unheimlichen Gesellen geschrieben worden, und ein betrunkener alter Seebär in einer Soho-Kaschemme wollte sogar einmal in Rumänien einem echten Blutsauger-Grafen begegnet sein.
    Kate selbst war erst bereit, an Vampire zu glauben, wenn sie höchstpersönlich einer dieser Kreaturen gegenüber stand. Und dann würde der Blutsauger feststellen, dass er sich mit der Falschen angelegt hatte. Kate trug nämlich unter ihrem rechten Handschuh gelegentlich einen Schlagring. Mit diesem eisernen Gegenstand hatten nicht nur zudringliche Passagiere, sondern auch einige rauflustige Droschkenkutscher bereits Bekanntschaft gemacht. Kate war eine Frau, die sich ihrer Haut wehrte. Und das würde sie auch gegen Vampire tun.
    Plötzlich riss sie eine Bewegung im Hotelfoyer aus ihren Überlegungen.
    Kate stieß Sally an und deutete unauffällig auf eine Polstergruppe im westlichen Teil des weiträumigen Hotelfoyers.
    „Siehst du den Gentleman mit dem violetten Einstecktuch? Ich wette mit dir, dass er ein Privatdetektiv oder ein Kriminalbeamter ist. Er sitzt lässig in seinem Sessel und liest scheinbar völlig vertieft die Times. Aber in Wirklichkeit beobachtet er das Treiben um ihn herum ganz genau.“
    Sally, die eine Handbreit kleiner war als Kate, stellte sich auf die Zehenspitzen. Mehr oder weniger unauffällig spähte sie hinüber. „Ja, damit könntest du recht haben, Kate. Und dieser Mann sieht auch noch richtig gut aus, wie ein persischer Prinz!“
    Tinker-Kate kannte keine persischen Prinzen, außer aus herzzerreißenden Liebesromanen. Aber sie stimmte mit Sally überein: Der Herr in dem dunklen Gehrock und den gestreiften Hosen war ein schöner Mann. Sein Gesicht wurde von einem gepflegten Backenbart geziert. Und selbst auf die Entfernung konnte Kate erkennen, wie ausdrucksvoll und lebendig seine nussbraunen Augen waren.
    Ja, er widmete sich nur scheinbar der Zeitungslektüre. Kate war eine gute Beobachterin. Für sie gab es keinen Zweifel daran, dass der Gentleman mit dem violetten Einstecktuch die Menschen in der Hotelhalle observierte. Nun hatte er auch bemerkt, dass er die Aufmerksamkeit der beiden jungen Frauen auf sich gezogen hatte.
    Der Herr senkte seinen Kopf nur um einen Fingerbreit, und dabei lächelte er Kate kurz zu. Dann blickte er sofort wieder auf die Zeitung hinunter.
    Der Dampfkutter-Pilotin lief ein wohliger Schauer über den Rücken. Kate glaubte, in seinem Blick so etwas wie stillschweigendes Einverständnis gelesen zu
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