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Tinker-Kate und die geheime Bruderschaft

Tinker-Kate und die geheime Bruderschaft

Titel: Tinker-Kate und die geheime Bruderschaft
Autoren: Steve Hogan
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die Stadt. Ein Schaufelraddampfer lief gerade aus und schickte Unmengen von schwarzem Rauch in die Luft. London Bridge, das Parlament, Trafalgar Square, der Buckingham Palace – es war eine ganz besondere Erfahrung, diese berühmten Gebäude aus der Vogelperspektive zu sehen.
    Obwohl Kate schon seit einigen Jahren ihren Dampfkutter durch den Äther lenkte, war sie von diesem Anblick immer wieder fasziniert. Deshalb liebte sie ihren Beruf und hätte keinen anderen ausüben mögen – und ein Dasein als Hausfrau und Mutter, wie es der neidische Droschkenkutscher vorgeschlagen hatte, kam für sie auf keinen Fall infrage. Abgesehen davon, dass wohl kein Mann eine mittellose Waise wie Kate vor den Traualtar geführt hätte.
    Abgesehen davon, dass dieses Thema müßig war, hatte Kate ihre Gedanken momentan bei den geheimnisvollen Morden. Der Bürgermeister hatte eine Belohnung von hundert Pfund Sterling für Hinweise ausgesetzt, die zur Ergreifung des Täters führten. Das war für Kate eine unvorstellbar hohe Summe. Meistens herrschte in ihrer Kasse nämlich Ebbe. Zwar zahlten die Passagiere gut und gaben manchmal hohe Trinkgelder, doch der Dampfkutter verschlang im täglichen Unterhalt Unsummen. Der Kessel musste ja auch befeuert werden, wenn gerade kein Fahrgast in Sicht war. Und der Heizer O’Leary wollte regelmäßig seinen Lohn bekommen.
    Ja, Kate hätte sich diese hundert Pfund gerne verdient. Aber sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie das anstellen sollte. Wenn schon die Beamten von Scotland Yard im Dunkeln tappten – wie sollte sie dann den Täter fangen? Sie wusste, dass man bei den Leichen keine verwertbaren Spuren gefunden hatte. Die Halswunden deuteten auf ein Messer als Tatwaffe hin, aber die Polizei suchte immer noch vergeblich nach der Stichwaffe. Außerdem waren in der Nähe der Tatorte keine brauchbaren Fußspuren gefunden worden.
    Und dafür gab es eigentlich nur zwei Erklärungen: Entweder war der Mörder in einem Dampfkutter entkommen. Oder er hatte sich in eine Fledermaus verwandelt und war ein Vampir.
    Allzu viele Drehflügler gab es nicht in London, Kate kannte alle Piloten persönlich. Es gab keinen von ihren Kollegen, dem sie die Komplizenschaft mit einem Mörder zugetraut hätte. Es war auch nicht möglich, einen Dampfkutter einfach zu stehlen. Man musste die Maschine ja auch fliegen können, und dafür bedurfte es langer Erfahrung. Also – war der Täter doch ein Blutsauger?
    Kate konnte sich weder mit der einen noch mit der anderen Variante anfreunden. Während ihr diese Gedankenfetzen durch den Kopf schwirrten, war sie trotzdem völlig in ihre Aufgabe vertieft. Kate drückte den Drehflügler tiefer, so dass er mit den Kufen im Vorbeifliegen beinahe die Dächer der Houses of Parliament streifte. Sie flog meistens auf Sicht und machte sich gar nicht die Mühe, mit dem Kreiselkompass und der Landkarte zu hantieren. Die Strecke zum Victoria Flugfeld beherrschte Kate ohnehin fast im Schlaf. Es war schließlich die Route, die sie am häufigsten flog.
    Ihr Dampfkutter war zwar ein älteres Modell aus den Bromwell-Werken in Manchester, doch den nichtrostenden Eisenmotor hatte sie erst vor einem Jahr ausgetauscht. Kate hatte ihre gesamten Ersparnisse für die Sechs-Zylinder-Maschine mit automatischem Frischwasseraustausch opfern müssen. Doch nun besaß sie eine der schnellsten und wendigsten Flugmaschinen Londons.
    Daher gelangte Kate auch an diesem Tag trotz des kräftigen Westwinds in Rekordzeit zum Victoria Flugfeld. Dort dockte gerade ein riesiges Luftschiff aus den afrikanischen Kolonien an. Die Kabine wies zahlreiche Einschusslöcher von Pfeilen auf, weil abergläubische Einheimische die Luftschiffe immer wieder mit Pfeil und Bogen angriffen. Doch mit solchen altertümlichen Waffen konnte man den modernen Maschinen nichts anhaben.
    Die Linienmaschine nach Moskau wurde bereits von vier Dampftraktoren aus dem Hangar zum Flugfeld gezogen. Weitere drei interkontinentale Luft-Passagierschiffe verharrten an Ankerleinen hoch über dem Erdboden, bis ihnen die Landeerlaubnis erteilt wurde. Die Verständigung zwischen den Luftschiffen und dem Bodenpersonal funktionierte mit Hilfe von Signalfahnen, wie bei Marinefahrzeugen auf hoher See. Über Morsetelegraphen verfügten die Luftschiffe nicht, denn dafür wären ja Drähte notwendig gewesen.
    Kate drosselte den Motor, und ihr Dampfkutter landete rumpelnd und knatternd auf der für Taxifahrzeuge reservierten Wiese. Der Russe gab Kate ein
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