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Tims gefährlichster Gegner

Tims gefährlichster Gegner

Titel: Tims gefährlichster Gegner
Autoren: Stefan Wolf
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habe.«
    Biju lachte. »Jedenfalls ist
die Reparatur eine Kleinigkeit. Und kostenlos! Darauf bestehe ich. Keine
Widerrede. In einer Stunde könnt ihr den Ohrring abholen — und in zehn Jahren
eure Verlobungsringe.«
    »Die brauchen wir eher«,
grinste Tim. »Tausend Dank für den Nulltarif. Also bis nachher.«
    Als sie durch die Fußgängerzone
gingen, sagte Gaby: »Ist echt nett von ihm. So, und nun zu Frau Reitz.«
    Ihr Secondhandshop mit dem
Namen Dresscode war weniger als fünf Minuten entfernt. Gerlinde Reitz
vertrat einen hohen Anspruch und nahm nur abgelegte Nobelgarderobe in
Kommission. Nichts in ihren Regalen war älter als zwei Jahre. Unter den
Anzügen, Jacken, Hosen und Mänteln überwogen die Designerstücke — berühmte
Marken, die in der Edelboutique viel Geld kosten. In einem kleineren Geschäft
nur einige Häuser weiter verkaufte sie die dazu passenden Schuhe, ebenfalls
Secondhand bzw. Secondfoot.
    Gaby wusste ziemlich genau, wer
zu den Kunden zählte — zu denen, die ihre abgelegten Sachen brachten, und zu
denen, die kauften. Denn Gerlindes Tochter Sabine war eine Klassenkameradin in
der 9b. Sie wäre gern mit Gaby befreundet gewesen, aber der war nicht
entgangen, dass Sabine heimlich für Tim schwärmte. Das wäre auf die Dauer
nervend gewesen, deshalb gehörte Sabine nicht zur engeren Clique.
    »Ärzte, Anwälte,
Besserverdiener kaufen dort«, sagte Gaby. »Also mach dich auf was gefasst.
Jacken unter 100 Euro sind selten.«
    »Ich kann feilschen wie ein
arabischer Teppichhändler.«
    »Blamier uns bitte nicht.«
    »Wer garantiert mir denn, dass
nicht im schönsten Blazer eine Kopflaus versteckt ist?«
    »Die chemische Reinigung. Alle
Klamotten sind total gereinigt, bevor sie dort auf den Bügel kommen.«
    »Super! Aber warum kaufen die
Besserverdiener alte Sachen?«
    »Sabine hat’s mir so erklärt:
Diese Leute sind Jäger. Haben Jagdinstinkt, wühlen gern rum auf der Suche nach
einer günstigen Beute. Wenn sie die gefunden haben, fühlen sie sich hip ( zeitgemäß ),
denn der clevere Einkauf ist wegen der Ersparnis zeitgemäßer als so ein
x-beliebiger aktueller Modetrend. In diesem Bewusstsein sonnen sie sich. Aber
die meisten werden dann sofort zu Schamkunden, die der Umwelt nicht zeigen
wollen, wo sie gekauft haben. Deshalb bringen viele ihre eigene Einkaufstüte
mit — die einer Nobelboutique — und tüten die Beute darin ein. Die Tüte mit der
Aufschrift Dresscode wird verschmäht.«
    »Dann werde ich heute mit Dresscode Reklame laufen, falls ich was finde.«
    »Wirst du bestimmt. Ich suche
ja mit.«
    »Wenn mich dann jemand auf
meinen tollen Blazer anspricht, werde ich meine Schamlosigkeit toppen und
behaupten, ich hätte ihn aus ’nem Sack für die Kleiderspende geklaut. Daran
merkst du, wie wenig ich mich geniere. Ein Schamkunde werde ich nie.«
    »Du hast ja auch sonst kein
Problem mit Peinlichkeiten. Secondhandgarderobe muss allerdings niemandem
peinlich sein. Das ist lebendige Weiterverwertung. Aber da du gerade die
Kleiderspende erwähnst, Tim. Alles, was die karitativen Organisationen
einsammeln — x-mal im Jahr für Not leidende Menschen in Afrika, Asien oder am
Ende der Welt all diese Kleidungsstücke werden selbstverständlich nicht dorthin
gebracht. Sondern kommen in die Secondhandgeschäfte mit den preisgünstigen
Angeboten. Die Organisationen kassieren den Erlös und helfen damit den
Notleidenden.«
    Tim nickte. »Der Cousin meiner
Patentante hat mal eine Lederjacke in die Kleiderspende gegeben. Ins Futter
waren ganz unauffällig seine Initialen ( Namens-Anfangsbuchstaben ) eingestickt.
Geschehen in Würzburg. Ein halbes Jahr später hat er sich in Berlin zufällig in
einem Secondhandshop umgesehen — und seine Jacke entdeckt. Exakt die.«
    Gaby lachte. »Hat er sie
gekauft?«
    »Du wirst lachen! Ja. Jaaa! Nur
weil ihn ihre Anhänglichkeit so gerührt hat. Und die verschlungenen Pfade des
Schicksals. Ich glaube, er trägt sie noch heute.«
    »Da sind wir. Hier ist es.«
    Dresscode, eingebettet in die endlose
Zeile fünfstöckiger Geschäftshäuser, hatte rechts und links des Eingangs breite
Schaufenster. Die Dekoration war schlicht, bestand lediglich aus
Kleiderständern mit edelsten Plünnen. Neben dem Dresscode befand sich
der Kaffeeausschank Superbohne. An den Stehtischen davor war Betrieb.
Passanten schlürften Espresso oder Cappuccino oder tranken Kaffee aus hohen
Tassen. Das Umfeld duftete nach äthiopischer Hochland-Arabicabohne, die ja
bekannt ist für ihre
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