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Tigermilch

Tigermilch

Titel: Tigermilch
Autoren: Stefanie de Velasco
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denn?
    Das ist Stadt Land Fluss, nur mit schlimmen Krankheiten statt Flüssen. Wir kennen kaum Flüsse, weißt du.
    Im Tiergarten ist es zum Glück schön kühl. Wir laufen barfuss auf dem Rasen und sammeln Laub, dabei versuchen wir das neue Spiel zu spielen, das mit den ganz normalen Wörtern, die keiner sagen darf.
    Ufo, sagt Jameelah.
    Ufo gilt nicht, sage ich.
    Wieso, sagt Jameelah, Ufo ist ein ganz normales Wort, aber man darf es nicht laut sagen, wenn man es laut sagt oder dran glaubt, wird man für verrückt gehalten.
    Ja, aber dran glauben und was sagen sind zwei unterschiedliche Dinge, sage ich.
    Gar nicht, sagt Jameelah, Wörter sind nur da, weil man an sie glaubt, sonst würde es diese Wörter gar nicht geben, Ufo, das ist so wie Gott, Gott gibt es nur, weil Leute dran glauben.
    Schwachsinn, sage ich.
    Klar, sagt Jameelah, glaubst du, dass man Miniermotte sagen würde, wenn es keine geben würde? Gibs zu, das ist dir doch nur zu hoch.
    Gar nicht, sage ich.
    Die kommt übrigens vom Balkan, sagt Jameelah, genau wie Amir.
    Wer?
    Die Miniermotte, sagt Jameelah und hält dieses Dings mit den Blättern hoch, das wir zum Aufsammeln benutzen, sie ist von da eingewandert, genau wie Amir.
    Quatsch.
    Doch, hab ich neulich im Fenster gelesen.
    Was Jameelah immer alles weiß. Manchmal nervt das, weil dann kann man zum Beispiel nicht so gut sagen, dass das mit dem Glauben und den Wörtern nicht stimmt. Man kann nie was gegen Leute sagen, die denken, dass sie immer alles besser wissen, und das auch noch wirklich tun.
     
     
    Wir gehen ins Freibad. Ich liebe das Freibad. Ich mag einfach alles am Freibad, den Geruch nach Chlor, gleich wenn man reinkommt, die braungebrannten Jungs, den Lärm, wie das Wasser spritzt und die Mädchen schreien wegen der Arschbomben, die die Jungs machen, ich mag sogar die Fußpilzduschen und die kleinen Äste und Steine, die durch mein Handtuch in meinen Rücken drücken. Am allerliebsten aber mag ich das Essen. Überhaupt habe ich manchmal das Gefühl, als würde ich nur zum Essen ins Freibad kommen.
    Als wir über die Wiese gehen, bleibt Jameelah plötzlich stehen.
    Da hinten, flüstert sie und krallt ihre Fingernägel in meine Schulter, da liegt Lukas, ganz allein.
    Ich grinse.
    Komm, sage ich und nehme sie an der Hand. So cool und pomade wie möglich schlendern wir über die Wiese.
    Hallo, sagt Jameelah, als wir neben Lukas stehen, ihr Schatten fällt auf sein Gesicht.
    Wie aus dem Tiefschlaf gerissen richtet Lukas sich auf und pult die weißen Kopfhörer aus den Ohren. Dass der überhaupt einen iPod hat, seltsam, denke ich, wo er doch auf seiner bekloppten Schule mit abgelutschten Pfirsichkernen rechnen gelernt hat, das hat Laura mal erzählt, auf Lukas’ Schule hängen sie die Ecken mit Tüchern ab, und anstatt Vokabeln zu lernen, bauen sie Pizzaöfen.
    Hallo, sagt Lukas, und als er Jameelah lächeln sieht, lächelt er zurück.
    Ich schaue wieder auf die Kopfhörer, die ihm auf die Badehose gerutscht sind. Sie sind fast so weiß wie seine Haut. Hoffentlich hat er sich gut eingecremt, denke ich, aber Menschen wie Lukas cremen sich immer gut ein, weil sie immer genau wissen, wann es gefährlich wird, mit der Sonne oder mit dem Leben an sich, überhaupt werden Menschen wie Lukas selten von der Sonne oder sonst wie vom Leben verbrannt.
    Ich sehe Amir hinten auf dem Rasen, er kommt auf uns zu und winkt. Jameelah holt ihr Handtuch raus und legt es neben das von Lukas.
    Ich habe ein Aladdin-Handtuch, Jameelah hat ein Coca-Cola-Handtuch, und Amir hat gar kein Handtuch. Das macht aber nichts, ich gehe nämlich fast nie ins Wasser, und Amir benutzt einfach meins. Ich habe Angst vor Wasser. Laura, Kathi und die anderen vom Planet lachen mich manchmal dafür aus, aber Jameelah und Amir können es verstehen, auch wenn sie keine Angst vor Wasser haben. Jameelah und Amir haben dafür Angst vor Silvesterknallern, und dafür lache ich sie auch nicht aus. So ist das mit Freunden. Deswegen bringe ich Jameelah und Amir von Mamas Geld auch immer was vom Kiosk mit, Mama gibt mir nämlich immer Geld, wenn ich sage, ich gehe ins Freibad. Ich laufe zum Kiosk und kaufe eine Bulette für mich, eine paar Geflügelwiener für Jameelah und Pommes und Kinderschokolade für uns alle.
    Letztes Jahr gab es im Freibad eine Messerstecherei, deswegen ist in diesem Sommer alles voller Sicherheitsleute. Das finde ich aber gut, dann traut sich auch kaum jemand zu klauen. Und überhaupt ist es nicht so gefährlich, wie es
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