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Tigerlilie - Paul, I: Tigerlilie

Tigerlilie - Paul, I: Tigerlilie

Titel: Tigerlilie - Paul, I: Tigerlilie
Autoren: Ivy Paul
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Sklavinnen?“, erkundigte sich Anna und sah in die Runde.
    Lian sah zu Bao, und diese übersetzte kurz darauf Lians Antwort.
    „Sie sind frei, so frei wie eine Nebenfrau sein kann. Kit ist das Beste, was ihnen passieren konnte. Die angesehene Chinesin hat Lotusfüße.“
    „Was sind Lotusfüße?“, fragte Anna verwirrt. Sie warf einen Blick auf die Füße der Frauen, doch sie konnte nicht entdecken, was die Konkubinen entstellte.
    Bao, die sich mit den Konkubinen unterhalten hatte, wandte ihre Aufmerksamkeit Anna zu.
    „Im Kindesalter werden die Füße edler Chinesinnen gebrochen, behandelt und eingebunden, damit die Füße elegant wie Lotusblumen werden.“
    Entsetzt riss Anna die Augen auf. „Das muss doch Schmerzen verursachen!“
    Bao nickte. „Wie man sich erzählt, ja. Und diese Qual endet nie.“
    Anna schüttelte den Kopf. Wieder etwas, das sie nicht verstand, nicht verstehen wollte. Heimweh überfiel sie wie eine stechende Pein in ihrem Innern. Und das Wissen, dass hier Christophers Wurzeln lagen, dass dies seine Herzensheimat war, vergrößerte die Not.
    Solange sie sich in England aufgehalten hatten, hatte sie geglaubt, die Konventionen wären alles, was ihre Liebe vor Schwierigkeiten stellte. Doch in Schanghai, umgeben von einer exotischen Welt, in die Christopher sich einfügte wie ein passendes Puzzleteil, wurde ihr bewusst, dass es viel mehr gab, das sie trennte.
    Anna bezweifelte, dass sie in Schanghai jemals eine neue Heimat finden würde. Und Christopher hatte mit keinem Wort erwähnt, dass er nach England zurückkehren würde.
    Sie zwang ihre trüben Gedanken fort und lächelte die Konkubinen an.
     
    Christopher und Long Tian kehrten von einem Treffen mit den Brüdern des Lotus zurück. Die zeremoniellen Begegnungen laugten Christopher aus. Er rieb sich die Stirn. Wieder hatte er nichts erreicht. Ihm kam es vor, als zöge jedes seiner Zugeständnisse weitere Forderungen nach sich.
    Sein komplettes Handlungsgeschick war gefordert, und diese Zeit fehlte ihm für sein eigentliches Geschäft. Langsam fragte er sich, ob das Ganze nicht eine Intrige seiner Konkurrenten war.
    Ein chinesisches Hausmädchen näherte sich.
    „Werter Herr, die taitai erwartet euch zum Essen.“
    Christopher nickte und scheuchte das Mädchen mit einer Handbewegung davon.
    Er betrat den Speiseraum und wurde von einer elegant hergerichteten Chinesin empfangen. Verwirrt fragte er sich, wer die Frau sein mochte, bis er Anna erkannte.
    „Was soll das bedeuten?“, erkundigte er sich ungehalten.
    Den ganzen Nachmittag hatte er sich auf eine frische, natürliche Anna in luftigen englischen Kleidern gefreut, und nun sah er sich einem Kunstgeschöpf gegenüber. Bis zur Unkenntlichkeit angemalt und verkleidet.
    Anna starrte ihn erwartungsvoll an.
    „Geh, wisch dir die Farbe aus dem Gesicht. Das sieht schrecklich aus!“
    Sie drehte sich auf dem Absatz um und verschwand aus dem Raum. Beim Hinauslaufen sah er noch den verletzten Ausdruck auf ihren Zügen und schalt sich selbst, so aufbrausend reagiert zu haben.
    Er zögerte, setzte sich und trank Tee, während er auf Anna wartete. Die Zeit verstrich, doch Anna kehrte nicht zurück.
    Eine Viertelstunde lang blieb er noch am Tisch sitzen, dann war er sicher, dass Anna nicht mehr kam.
     
    Anna stürzte in ihr Zimmer. Tränen liefen ihr über das Gesicht und verschmierten die Schminke. Sie hatte gedacht, Christopher würde ihre Aufmachung gefallen. Stattdessen schickte er sie aus dem Raum wie eine ungezogene Göre.
    Zornig wusch sie sich die Farbe ab, zog die Seidenrobe aus, kämmte ihr Haar und flocht es zu einem einfachen Zopf. Dann zog sie einen Morgenmantel über und legte sich auf das Bett.
    Sie schloss die Augen und musste eingeschlummert sein, denn als sie die Lider öffnete, stand Christopher an ihrem Bett.
    „Es tut mir leid“, sagte er.
    Anna blinzelte. Sie musste träumen.
    „Ich glaube, ich schlafe noch. Würdest du das wiederholen?“
    Christopher nahm am Bettrand Platz. „Es tut mir leid, Tigerlilie.“
    Er streichelte ihre Wange. „Ich war unbeherrscht. Ich hatte nicht erwartet, dich so zu sehen.“
    Anna runzelte die Stirn. Sie setzte sich auf.
    „Die Konkubinen haben mich ausstaffiert. Wir hielten es für eine nette Idee.“ Anna schwieg einen Moment. „Ich versuchte, so zu sein wie eine chinesische Ehefrau. Du bist so anders. In England warst du … Du warst einfach Christopher. Aber hier? Ich sehe dich kaum, und wenn, dann bist du in Gedanken weit weg,
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