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Tiger Eye

Titel: Tiger Eye
Autoren: Marjorie M. Liu
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einer Flasche aufsteigt? Die sind immer alle so verdammt gelassen'
    Vielleicht lag es daran, dass diese Märchenfiguren Magie von vornherein für möglich hielten. Weil sie anders als Dela in einer Welt lebten, wo unmögliche Dinge an der Tagesordnung waren.
    Na ja, es gibt das Unmögliche und es gibt das Unmögliche.
    Einen Moment lang erwartete Dela, dass der Mann über ihre Worte lachen würde, wenn auch nicht, weil er sie komisch fand. Er trat einen Schritt zurück, und sie sah in sein Gesicht. Eine ganze Palette aufgewühlter Gefühle zeichnete sich darauf ab. Verwirrung, Empörung, Unsicherheit und dieser immer präsente Zorn. Sie fragte sich, ob er die Verbindung zwischen ihnen, die sie aus Versehen geschmiedet hatte, ebenfalls spürte. Es wäre besser, wenn nicht. Er mochte sie ohnehin nicht besonders.
    »Es gibt noch mehr Beweise«, erwiderte er rau, als bereiteten ihm die Worte Schmerz. Er legte erneut seine Waffen und seine Rüstung ab. Dela hob die Hand. Der Mann hielt inne.
    »Ich kann Euch nicht wehtun«, versprach er ruhig. »Und selbst wenn ich es könnte, ich würde einer Frau doch niemals etwas zuleide tun.«
    Es waren merkwürdige Worte, aber Dela glaubte ihm. Seine Aufrichtigkeit war über jeden Zweifel erhaben, sie war fühlbar und vollkommen unverstellt. Hätte sie in diesem Augenblick an ihm gezweifelt, sie hätte das selbst fast wie eine schwere Beleidigung empfunden. Dieses vorübergehende Vertrauen kam ihr zwar unheimlich vor, aber sie hatte etwas Helles und Reines hinter den Schatten gesehen, die seine Seele umhüllten. Sie hatte sein Licht wahrgenommen.
    »Wie heißt du?«, fragte Dela erneut, als er sich weiter auszog. Die Muskeln spielten unter seiner Haut. Es war höchst irritierend, ihn zu beobachten, nicht zuletzt, weil es sie an ihre eigene Nacktheit erinnerte. Dass sie jetzt beide fast nackt waren, verunsicherte sie mehr, als sich seiner Wut zu stellen.
    Sie dachte schon, er würde nicht antworten, sondern sie wieder einfach nur stur ignorieren. Aber da überraschte er sie.
    »Mein Name ist Hari«, sagte er. Sein Blick war so eindringlich, dass sie am liebsten weggesehen hätte. Das konnte sie jedoch nicht, und schließlich unterbrach er ihren Kontakt. Er ließ seinen Lederharnisch und die Waffen auf den Boden sinken. Ihnen folgte sein helles, leinenes Unterhemd, das blutbefleckt und zerrissen war. Dela wurde am ganzen Körper warm. Und im nächsten Augenblick überlief es sie eiskalt.
    Auf Haris Brust waren Zeichen eingebrannt.
    Unverständliche Zeichen, die ein schreckliches Muster über seiner ganzen Brust bildeten und sich wie groteske Schluchten in sein Brustbein gruben.
    Ohne nachzudenken, fuhr Dela mit ihren Fingerspitzen die tiefen Furchen nach, legte ihre gespreizten Hände auf seine Brust, berührte alles und sog den Eindruck seiner Schmerzen in sich auf. Das musste mit einem Brandeisen gemacht worden sein, oder mit einem rot glühenden Messer. Einem stumpfen, breiten Messer, das die Haut brutal und grausam versengte. Dela verbiss sich mitleidige Worte, aber ihre Augen brannten.
    Sie versuchte, nicht zu zwinkern, weil sie sich auf keinen Fall mit Tränen verraten wollte.
    Die Zeichen kamen ihr schmerzlich vertraut vor, und ein Druck legte sich auf ihren Verstand, als sie sich erinnerte, wo sie diese Symbole schon gesehen hatte.
    Natürlich! Auf dem Deckel der Schatulle.
    Hari gab einen erstickten Laut von sich. Seine Wangen waren gerötet, und die Intensität seines Blickes veränderte sich. Die Augen wurden dunkler. Dela wurde plötzlich bewusst, wo ihre Hände waren. Wie ungeniert sie ihn berührte. Mit einem leisen Keuchen wich sie zurück.
    »Entschuldigung«, sagte sie verlegen. Aber nach wie vor war sie aufgewühlt. Wut, Furcht, Verwirrung, all das hatte sie diesem Mann gegenüber empfunden, der davor ihr stand, und jetzt gesellte sich noch Mitgefühl hinzu. Und Entrüstung darüber, dass jemand einem anderen Menschen so etwas antun konnte.
    Dela deutete auf seine Brust. »Wer hat dir das zugefügt?«
    »Warum ist das wichtig?« Hari trat einen Schritt zurück. »Es ist geschehen und vorbei. Es ist über nichts zu sprechen außer über die Gegenwart.«
    »Was?« Dela starrte ihn ungläubig an. »Du nennst diese Narben auf deiner Brust >nichts    »Ich glaube fast, Ihr meint Eure Worte ernst«, erwiderte er.
    »Glaub, was du willst«,
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