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Tiger Eye

Titel: Tiger Eye
Autoren: Marjorie M. Liu
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vielleicht für Bekannte, die eine solche Geste schätzten. Aber für richtige Freunde war es nicht gut genug, für die wenigen und verstreuten, die eine besondere Sorgfalt verdient hatten, etwas Besseres als Tand.
    Später. Dela suchte erst mal etwas anderes.
    Sie durchkämmte den Schatten zwischen den Buden unter freiem Himmel und suchte, bis sie einen vertrauten Ruf in ihrem Bewusstsein vernahm. Waffen. Sie folgte dem Raunen bis zu seiner Quelle.
    Säbel und Kurzschwerter; tibetische Dolche, in deren Griffe von oben bis unten grinsende Totenschädel eingraviert waren. Mongolische Bogen, rau vom Alter und Gebrauch, fadenscheinige Köcher mit verblasster Stickerei und metallenen Rändern. Überall sah sie staubigen, grauen Stahl, aber alles war doch enttäuschend. Die Schmiedearbeit schien armselig; das hier waren billige Imitationen für keineswegs günstige Preise.
    Dela starrte die beflissenen Händler an, die über ihr blondes Haar, ihre helle Haut und die strahlenden Augen lächelten. Leichte Beute. Sie sah es auf ihren Mienen, und ihr Urteil erzeugte ein Gefühl der Einsamkeit in ihr; eine unbekannte Emotion, und dazu eine unerfreuliche.
    Schlimm genug, dass sie mich für dumm halten, dachte sie gereizt. Einsamkeit war eine Gabe, aber nur, wenn sie mit Anonymität gepaart war. Der uninteressierte Beobachter.
    Unwillkürlich runzelte Dela die Stirn. Du hättest nicht nach China zurückkehren sollen, wenn du es nicht durchhalten kannst. Reiß dich zusammen, Mädchen!
    Sie verließ die Buden mit den Waffen, schüttelte die Proteste der Händler, von denen einige fast an Verzweiflung grenzten, mit einem höflichen Kopfschütteln ab. Diese Waffen boten ihr nichts. Sie erkannte Qualität auf den ersten Blick, Alter und Geschichte, wenn sie die Waffen berührte. Das war einfach, wenn man so viel mit Stahl arbeitete, wie sie es tat. Wenn er in ihrem Kopf von seinen Geheimnissen sang.
    Dela schlenderte eine Weile herum, suchte weiter nach Schätzen, schweißgebadet in der Hitze, umgeben von Weihrauch und muffigen Kunstwerken, die zu lange im Schatten gelegen hatten. Sie beobachtete Kinder, die kleine Frühstücksschachteln mit gebratenen Nudeln und Zwiebelpfannkuchen verkauften, wie sie die Preise mit ihren hohen Stimmen he-rausschrien. Sie lauschte einem alten Mann, der auf einer Steinflöte eine lebhafte Melodie spielte, und kaufte eines seiner kleinen Instrumente. Er lachte, als sie versuchte, die Noten nachzuspielen, aber der hohle Stein pfiff nur schrill. Dela grinste und zuckte die Achseln.
    Nachdem sie fast eine Stunde umhergestreift war, fand Dela ein perfektes Geschenk für ihre Mutter. Große, rechteckige Leinentücher, strahlend blau gefärbt und mit zierlichen, stilisierten Blumen bestickt, ein Bukett aus Farben, willkürlich und genau das Richtige. Sie feilschte fanatisch, kratzte jeden Fetzen Charme und Sprachkenntnisse zusammen, die sie besaß, und am Ende des Handels grinsten sie und die Verkäuferin albern.
    »Aiii yo!«, seufzte die ältere Frau und strich ihr silbern glänzendes Haar aus einem Gesicht, das mindestens zwanzig Jahre jünger wirkte als ihr Körper. Ihre goldgesprenkelten Augen funkelten, ihr Blick jedoch war nicht unfreundlich. »Es ist schon lange her, seit ich einen Fremden getroffen habe, der mich gezwungen hat, mit so viel Mühe zu verkaufen.«
    Dela lachte. »Es ist schon lange her, dass ich jemanden getroffen habe, mit dem zu feilschen so großen Spaß gemacht hat.«
    Die Frau verzog ihre Lippen, und einen Moment lang veränderte sich der Ausdruck ihrer Augen, wurde älter, dunkler und weiser. »Ich habe noch etwas, was Ihnen vielleicht gefällt.«
    »Ach, lieber nicht, ich glaube, mir reicht das hier.«
    Die Alte ignorierte sie und wühlte bereits in den Teppichen und dem Krimskrams vor ihren Füßen. Dela hatte nicht das Herz, einfach wegzugehen. Ein guter Feilschhandel erzeugte ein Band, eine gewisse, unausgesprochene Etikette. Die »letzte Chance« zu einem abschließenden Handel.
    Die Sommerhitze wurde immer schwüler; die Luft wallte langsam zwischen den von Waren und Menschenleibern überquellenden Buden hindurch. Der Geruch von Staub und Fett stieg Dela kitzelnd in die Nase, während ihr der Schweiß den Rücken hinablief. Etwas gelangweilt und beklommen drehte sie sich einmal um ihre Achse und betrachtete das Gewühl der Einkaufenden.
    Ihr Blick blieb an einem Mann am Ende des Ganges hängen. Woher er stammte, war schwer auszumachen, er war ein dunkler Typ und sah gut
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