Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tiere

Tiere

Titel: Tiere
Autoren: Simon Beckett
Vom Netzwerk:
«aufräumen». Das tat ich aber nicht. Ich konnte nicht. Als ich runterging und die Tische und Stühle und Aschenbecher sah, wollte ich nichts anfassen. Im hinteren Keller gab es ein Heizgerät. Es stand vor zwei Abteilen, in denen Matratzen lagen, die total nach Parfüm rochen.
    Ich brachte das Heizgerät in den Hauptkeller, ließ die Matratzen aber in den Abteilen. Ich wusste nicht, was ich sonst mit ihnen machen soll. Dann trug ich die ungeöffneten Fässer und Kisten nach oben, damit die Brauerei sie abholen konnte. Ich dachte, den Rest kann ich aufräumen, wenn wir den Pub verkaufen, aber dazu kam es ja nie.
    Jedenfalls erzählte ich das alles Cheryl. Ich dachte, sie würde es verstehen. Doch als ich fertig war und sie anschaute, saß sie immer noch auf der Stuhlkante und starrte ins Leere. Dann blinzelte sie und meinte: «Können wir jetzt hochgehen? Ich friere.»
    Das war alles. «Warum guckst du mich so an?», fragte sie ein bisschen unruhig. Bevor ich etwas sagen konnte, meinte sie dann: «Was ist das?»
    Ich lauschte. Eine Art Gewinsel, aber total leise. Als wir geredet hatten, konnte man es nicht hören. Erst als wir still waren. «Nichts», sagte ich.
    «Doch, da ist was, ich kann es hören», meinte Cheryl. «Wie Weinen. Und Stimmen.» Sie lauschte wieder und schaute dann zum Gang. «Es kommt von dort», sagte sie leicht verwirrt. «Was ist das?»
    «Tiere», sagte ich.
    «Tiere?», meinte sie. «Was für Tiere?»
    «Einfach Tiere», sagte ich.
    Sie guckte mich an, als würde sie erwarten, dass ich sage, war nur Spaß oder so. «Hör auf, du machst mir Angst!», sagte sie und schaute wieder zum Gang. «Da ist es wieder!», meinte sie. Sie klang jetzt richtig panisch und sprang auf. «Das gefällt mir nicht!»
    Als sie hochgehen wollte, hielt ich sie am Arm fest und sagte: «Nicht.» Sie riss sich los, und ich sagte: «Cheryl!», und versuchte, sie zu fassen, doch sie rief: «Lass mich!», entwand sich mir und lief zur Treppe. Sofort kam sie aus dem Gleichgewicht und fiel gegen die Fässer vor der Wand. Ich packte sie, sie schrie und wehrte sich. Sie machte einen solchen Lärm, und ich wollte nur, dass sie aufhört und still ist. Ich hielt sie mit einer Hand fest und wollte ihr die andere auf den Mund legen, aber wenn ich nicht aufgepasst hätte, hätte sie mir mit dem Holzhammer, mit dem mein Papa immer die Fässer angestochen hat, den Schädel eingeschlagen. Er hatte seit Ewigkeiten dort herumgelegen, und jetzt versuchte Cheryl, mich wieder damit zu schlagen, aber ich hielt ihr Handgelenk fest. Doch den Hammer wollte sie nicht loslassen. Ich brauchte beide Hände, um ihn ihr wegzunehmen, und als ich ihn hatte, stieß sie mich zurück und lief los. Ich bekam ihr Oberteil zu fassen, aber sie drehte und wand sich, bis es zerriss. Während ich die Hälfte ihres Oberteils in der Hand hatte, rannte sie mit schaukelnden Brüsten die Stufen hoch. Sie hatte einen Vorsprung, und als ich oben in der Schankstube war, schrie sie wie eine Wilde und rüttelte an der Tür. Doch die war noch verriegelt. Und als ich zu ihr ging, kamen mit einem Mal Karen und Pete aus der Küche gerannt.
    Die beiden hatte ich ganz vergessen. Ihre Kleidung warganz durcheinander, und Pete stand ein großes Büschel Haare ab. «Was ist hier los, verdammte Scheiße?», meinte er, aber Karen lief nur zu Cheryl. Sie hielt sie fest, doch Cheryl wusste wohl nicht, wer es war, denn sie schrie wie am Spieß. Karen nahm sie in den Arm und sagte: «Alles in Ordnung, alles in Ordnung», und dann weinte sich Cheryl die Augen aus.
    «Was hast du mit ihr gemacht, du Arschloch!», brüllte Karen mich an. «Was hast du gemacht, verdammte Scheiße!»
    Ich wollte «nichts» sagen, brachte aber kein Wort hervor. «Scheißperverser», zischte Pete. «Ich wusste, dass du ein Irrer bist!» Als er auf mich zukam, hob ich meine Hände, und Karen meinte: «Pass auf, Pete, er hat einen Hammer!»
    Ich hatte gar nicht gewusst, dass ich den Hammer noch in der Hand hielt. Pete wich zurück und packte sich ein Billardqueue. «Na schön!», meinte er. «Du willst anfangen, ja? Dann komm, fang an, du Arsch. Komm!» Ich schüttelte den Kopf und ließ den Hammer fallen, aber er kam trotzdem mit dem Queue auf mich zu.
    Dann rief Cheryl total hysterisch:
«Geh nicht in seine Nähe, geh nicht in seine Nähe.»
Karen sagte: «Schon gut, Pete wird mit ihm fertig», aber Cheryl geriet wieder völlig aus der Fassung. «Ich will weg, ich will nur weg von hier!», sagte sie und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher