Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tiefschlag

Tiefschlag

Titel: Tiefschlag
Autoren: John Baker
Vom Netzwerk:
in den Achtzigern aufgewachsen und hatten gelernt, eins und eins zusammenzuzählen.
    «Was hat die wohl auf der Pfanne?» sinnierte Geoff. Er lehnte an der Wand. Eine nicht angezündete Zigarette klebte an seiner Unterlippe.
    «Das alte Muttchen?» erwiderte Cal. «Keinen Dunst. Die ist vor ein paar Minuten da stehengeblieben. Hat sich seitdem nicht mehr von der Stelle gerührt. Vielleicht sucht sie einen Freier?»
    Geoff grunzte verächtlich. Er ließ sein Feuerzeug aufflam-men, steckte die Zigarette aber nicht an. «Das ist Angies Platz. Falls die in einer Stunde immer noch da ist, gibt’s eine hübsche Keilerei.»
    «Und los geht’s», sagte Cal. «Sie hat sich in Bewegung gesetzt.» Er beobachtete, wie die alte Dame vom Bürgersteig auf die Straße trat. Sie zog ihren Rock hoch und hockte sich hin. Ein Auto hielt, der Fahrer legte sich auf die Hupe. Mehrere Passanten drehten sich um, wollten sehen, was los war. Die alte Dame zeigte dem Autofahrer den Vogel. «Mein Gott», sagte Cal.
    «Die pinkelt», kommentierte Geoff.
    «Nicht nur das», ergänzte Cal. «Die kackt mitten auf die Straße.»
    «Soll ich die Bullen verständigen?»
    «Wär vielleicht besser. Sonst kommt noch irgendwer auf die Idee, sie buchstäblich über den Haufen zu fahren.»
    Geoff nahm den Hörer ab. «Wir haben hier eine ältere weibliche Person, die mitten auf der Micklegate ihren Darm entleert», sagte er. «Direkt hinter dem Stadttor, blockiert den Verkehr.» Er legte den Hörer wieder auf und sah Cal an. «Weißt du eigentlich, was Micklegate bedeutet?» fragte er.
    «Ich kann kaum verhindern, daß du’s mir erklärst.»
    «Prachtstraße», sagte Geoff, der sich - meistens zum Nutzen anderer — intensiv mit der Stadtgeschichte beschäftigte. Er kannte sämtliche Kirchen und alten Gebäude und hatte früher auch als Fremdenführer gearbeitet. «Dort stand ein römischer Mithras-Tempel», erklärte er. «Ziemlich genau an der Stelle, wo sie jetzt ihr Geschäft macht.»
    Cal schüttelte den Kopf. «Ich weiß, daß du mir damit irgendwas sagen willst», meinte er. «Aber im Moment erschließt sich mir der tiefere Sinn noch nicht so ganz.»
    «Der Mithras-Kult war für Frauen tabu», erklärte Geoff. «Sie waren in jeder Beziehung ausgeschlossen. Deshalb vermute ich mal so, daß sie sich einfach rächt.»
    «Bißchen spät, Geoff, findest du nicht? So ungefähr zweitausend Jahre.»
    «Tjaaa, so sind die Frauen eben», meinte Geoff. «Die können wahnsinnig nachtragend sein. Zweitausend Jahre sind nichts für die. Fünftausend, zehntausend Jahre, spielt überhaupt keine Rolle. Wenn du sie mal angemacht hast, und wenn’s nur aus Versehen war, werden sie sich eines Tages dafür revanchieren und auf dich scheißen.»
    Cal stellte die Ohren auf Durchzug und sah wieder auf den Bildschirm, wo jetzt neben der alten Dame ein Streifenwagen hielt und ein junger Constable ausstieg. Ton gab es nicht zu den Videobildern, aber Cal stellte sich vor, von den Lippen des jungen Constables ablesen zu können, wie er einen auf Musterbulle machte. Wie der Autofahrer bekam auch er den Vogel gezeigt, woraufhin er zu seinem Funkgerät zurücktrabte, um eine Rolle Toilettenpapier und eine Kollegin anzufordern.
     
    Am Ende verfrachteten sie sie in den Streifenwagen und fuhren sie zur Folterkammer. Über die Straße legte sich eine unbestimmbare Aura. Geoff packte seine Videoschnittausrüstung aus und baute sie auf einem freien Tisch im hinteren Teil des Kontrollraumes auf. Es gab zwei Verkaufsschlager, mit denen sich schnell Geld verdienen ließ, und im Verlauf der letzten Monate hatten Cal und Geoff herausgeholt, was herauszuholen war. Da waren zum einen ihre Zusammenstellungen von Pornoclips, auf denen im wesentlichen angetrunkene Paare zu sehen waren und ab und an mal ein Quartett auf Speed in irgendwelchen Ladeneingängen. Sie hatten keinen Schimmer, daß sie beobachtet wurden, dachten, die ganze Welt liege brav im Bettchen, und dann trieben sie es miteinander wie Profisportler. Cal hatte einen Dealer, der für jedes Band bis zu einem Tausender hinblätterte, cash und keine dummen Fragen. Und ohne allzu große Probleme konnte Cal jeden Monat ein neues Band zusammenschneiden. Vier oder fünf Wochen später tauchten diese Bänder dann in den Sexshops und auf den Märkten auf, manchmal nachvertont und mit flotten Titeln wie Die Fleischfresser unterlegt.
    Der andere Verkaufsschlager waren gute Schnappschüsse von Typen in Nobelschlitten, die auf dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher