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Tiefes Land

Tiefes Land

Titel: Tiefes Land
Autoren: Carsten Steenbergen
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herunter krachen. Dr. Tomer schrie auf und sackte benommen vor Schmerz zu Boden. Sein ganzer Arm stand in Flammen. Irgendwie kam er zu der Gewissheit, dass das Schulterblatt gebrochen war. Oder mehr.
    Eine Hand packte ihn am lädierten Arm und riss ihn zurück auf die Beine. Ein weiterer qualvoller Schrei entrang sich seiner Kehle, Tränen liefen ihm über die Wangen. Seine Nase blutete immer noch.
    »Aufmachen, ich werde mich nicht wiederholen.«
    Mit zitternden Fingern klaubte Dr. Tomer die Magnetkarte von seinem Hals, zog sie durch den Leseschlitz und tippte anschließend den Zahlencode in die Zifferntastatur. Ein grünes Leuchtfeld signalisierte die korrekte Eingabe. Zischend öffnete sich die automatische Schiebetür zum Vorraum. Die vier Verbrecher ignorierten die Warnhinweise und die weiße Schutzkleidung aus sterilem Material.
    Unbekümmert durchschritten sie die Schleuse und betraten das Labor, während Dr. Tomer stolpernd hinterher geschleift wurde. Drinnen begannen sie zielsicher, die Schränke mit den Bakterienstämmen zu öffnen und zu durchsuchen. Offensichtlich wussten sie sehr genau, was sie haben wollten.
    Es dauerte eine knappe Minute, bis sie fündig wurden. Eine Batterie mit sechs durchsichtigen, verschlossenen Kunststoffröhrchen, in denen eine milchige Flüssigkeit schwappte, verschwand unversehens in einem mitgebrachten Transportbehälter und in der schwarzen Umhängetasche einer seiner Peiniger. Dr. Tomer musste nicht einmal die Aufschrift auf den Röhrchen lesen, um zu wissen, was die Männer eingesteckt hatten. Schließlich hatte er die letzten Wochen und Monate bis hin zur heutigen Präsentation an nichts anderem gearbeitet.
    »Das dürfen Sie nicht«, protestierte er schwach. »So hören Sie doch auf. Sie sind ja wahnsinnig.«
    Einer der Bewaffneten drehte sich um und sagte ein paar knappe Sätze in einer ihm fremden Sprache. Es klang irgendwie vertraut und gleichzeitig auch nicht. Verstanden hatte Dr. Tomer trotzdem kein Wort.
    »Was hat er gesagt?«
    Der Maskierte, der ihn die ganze Zeit über am Arm gepackt gehalten hatte, wandte den Kopf zu ihm. Der Wissenschaftler hatte das unbestimmte Gefühl, das er unter seiner Skimaske amüsiert grinste, während er ihm antwortete.
    »Er sagte: Knips ihn aus, er nervt.«
    Noch bevor Dr. Tomer die Bedeutung dieser Worte in aller Deutlichkeit bewusst wurde, fühlte er den Druck einer eiskalten Mündung auf seiner Stirn.

07:03 Uhr, 04. Mai, Hauptquartier der General Intelligence, MIVD, Den Haag

    Kolonel Henk Molen las gerade den Abschlussbericht einer seiner Einheiten über einen Einsatz in der südlichen Provinz Uruzgan, Afghanistan, als das leise Knacken der Gegensprechanlage und die Stimme seiner Sekretärin Elsie seine morgendliche Lektüre unterbrach.
    »Kolonel, Ihr Termin ist eingetroffen. Soll ich ihn hereinschicken?«
    Statt einer Antwort stand Henk Molen auf und kam hinter seinem gewaltigen Schreibtisch hervor, um seinem Gast persönlich die Tür zu öffnen. Es war kurz nach Sieben am Morgen, eine Zeit, zu der sich üblicherweise kein Besucher zu ihm verirrte. Aber der Kolonel war sich sehr genau darüber im Klaren, wer gerade vor seinem Büro wartete. Daher öffnete er gutgelaunt selbst die Tür.
    Der Besucher salutierte förmlich, obwohl er keine Uniform trug. Henk Molen ignorierte den Gruß und streckte ihm stattdessen freudestrahlend die Hand entgegen. Willem van den Dragt senkte den Arm und ließ sich widerstandslos in eine Umarmung ziehen.
    »Willem, lass den Quatsch und komm rein. Gut siehst du aus. Schwarz wie immer? Elsie, zweimal Kaffee, aber von der schnellen Sorte, wenn ich bitten darf.«
    Der Kolonel führte seinen Gast in das Büro und schloss die Tür. Schnaufend sank er anschließend in seinen ledernen Bürostuhl. Fast beiläufig nahm er die Pfeife aus dem Marmor-Aschenbecher und stopfte sie mit geübten Handgriffen und einer Prise Van Halteren Black & Bright. Kurz darauf verteilte sich der aromatische Geruch in Form von mehreren grauen Wölkchen im ganzen Büro.
    Willem van den Dragt hatte ihm gegenüber auf einem der Besucherstühle Platz genommen. Anstelle der Uniform eines Kapitein trug er einen schmal geschnittenen Anzug in anthrazitgrauer Farbe, der seine durchtrainierte Statur gut zur Geltung brachte. Darunter ein weißes Hemd mit schlanker, schwarzer Krawatte, das die braungebrannte Haut von zwei Wochen Strandurlaub an Hals und Händen sehen ließ.
    Mit den gelockten, sandblonden Haaren, die über die letzten
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