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Tiefes Land

Tiefes Land

Titel: Tiefes Land
Autoren: Carsten Steenbergen
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Antrittsgespräch bei seinem neuen Vorgesetzten vom Allgemeinen Sicherheits- und Informationsdienstes war überraschend kurz ausgefallen. Die Zeit hatte gerade einmal ausgereicht, um das üblich höfliche aber oberflächliche Geplänkel über sich ergehen zu lassen. Willem hatte mit einem intensiven Gespräch unter vier Augen gerechnet – und dem wohlgemeinten, sowie deutlichen Hinweis, dass man seine vergangenen Eskapaden beim AIVD ganz bestimmt nicht dulden würde. Natürlich gab es keine offiziellen Informationen seitens des militärischen Geheimdienstes in dieser Angelegenheit, man hielt sich über Interna in der Regel recht bedeckt, aber irgendetwas sickerte immer durch. Schließlich kannte man sich untereinander. Einer dieser Verbindungen verdankte Willem seine jetzige Stellung und er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Henk Molen wirklich jedes Detail zu seiner Versetzung für sich behalten hatte.
    Willem hatte den Ärger über die Untätigkeit des Kolonels auf dem kurzen Weg nach Zoetermeer, einer kleinen, vorgezogenen Trabantenstadt Den Haags, in dem sich das Hauptquartier des Geheimdienstes befand, an der Straße ausgelassen.
    Die Reifen seines schwarzen Sedans hatten ordentlich Gummi gelassen, zunächst auf den Kreuzungen der Regierungshauptstadt, dann auch auf der Landstraße zwischen den beiden Orten. Das schnelle Fahren beruhigte seine Nerven. Während andere sich in einem Rausch der Geschwindigkeit und dem dazugehörigen Adrenalinkick verloren, entspannte er sich zusehends mit jedem Stundenkilometer jenseits der hundertdreißig.
    Zu seinem Glück war er keiner übereifrigen Polizeistreife begegnet, die bereits früh am Morgen Verkehrssündern hinterher spürte. Nicht nur, dass das sein Gefühl von Gelassenheit deutlich herabgesetzt hätte, eine weitere Verwarnung noch vor Dienstantritt beim AIVD hätte alles andere als vertrauenserweckend ausgesehen. Willem hatte jedenfalls nicht vor, seiner Akte eine neue Trophäe dieser Art hinzuzufügen.
    Knappe zwanzig Minuten später hatte er seinen Sedan auf dem Parklatz des AIVD-Gebäudes abgestellt und sich anschließend pünktlich auf die Minute zum Büro seines zukünftigen Vorgesetzten begeben. Jacobus Aloster begrüßte ihn mit durchaus herzlichen, wenn auch kurzen Worten, bevor er ihm dann unversehens seinen persönlichen Wachhund in Gestalt einer jungen, übereifrigen Agentin von Ende zwanzig vorstellte. Die nun mit verkniffenem Gesichtsausdruck und vor der Brust verschränkten Armen neben ihm auf dem Beifahrersitz saß.
    Tessa Boyens trug das schulterlange, braune Haar zu einer strengen Frisur hochgesteckt, ihr sportlich schlanker Körper steckte in einem konservativen Kostüm. Ihr schmales Gesicht wurde von einer modern geformten Brille ohne Fassung eingerahmt und verlieh ihr einen lehrerhaften Ausdruck. Auf ihrem Schoß lag ein Ordner mit den zusammengefassten Daten seines ersten Falles. Ihres gemeinsamen Falles, verbesserte er sich mürrisch, wenn er sich wie ein Anfänger die Butter vom Brot nehmen ließ.
    Aloster hatte ihm Agentin Boyens an die Seite gestellt, damit sie auf ihn aufpasste und nicht, wie dieser ausdrücklich betont hatte, um Willem mit den üblichen Gepflogenheiten der AIVD-Arbeit vertraut zu machen. Das war ihm von Beginn an klar gewesen. Der Blick der beiden bei seiner Vorstellung hatte Bände gesprochen.
    Aloster war anscheinend ebenso wenig begeistert davon, ihn anstelle von Boyens in der Rolle des Einsatzleiters zu sehen, wie die junge Agentin. Als dann noch vor dem offiziellen Ende des Gesprächs die Information über einen Raubüberfall mit Todesfolge auf ein Labor der Tifor Pharmaceuticals einging, blieb nicht einmal genügend Zeit, um sich sein neues Büro anzusehen. Willem bestärkte das nur zusätzlich darin, möglichst bald wieder zum MIVD zurückzukehren.
    Tessa Boyens klärte ihn bereits auf den ersten Metern darüber auf, warum hier ausgerechnet der AIVD tätig wurde und nicht die Polizei von Amsterdam.
    Der schulmeisterliche Ton, den sie dabei anschlug, ließ Willem genervt die Augen nach oben ziehen. Er unterbrach ihren Vortrag.
    »Schon klar. In diesem Labor werden nicht nur niedliche, bunte Pillen gegen Gastritis und Rheuma entwickelt. Forschungen von nationaler Sicherheit und so weiter und so weiter. Stellen Sie sich vor, das ist mir bereits selbst aufgegangen.«
    »Ich versuche nur, Sie entsprechend vorzubereiten«, entgegnete Agentin Boyens eingeschnappt. »Informationen sind das A und O für
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