Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tiefer Schmerz

Tiefer Schmerz

Titel: Tiefer Schmerz
Autoren: Arne Dahl
Vom Netzwerk:
vergammelte Fischreste. Kleine schwarze Würmer ringelten sich aus den Augenhöhlen eines Fischkopfs. Übelkeit stieg in ihm hoch, die er jedoch zurückdrängte. Es gab keine Alternative.
    Er richtete den starken Lichtstrahl an die Decke des Containers. Dort waren tatsächlich die Öffnungen von vier im Durchmesser etwa einen halben Meter dicken Rohren. Er machte zunächst die Öffnung aus, durch die er gekommen war. Sie lag hinter ihm. Er stand langsam auf. Wenn er den Kopf einzog und den Rücken sehr krumm machte, konnte er stehen. Er ging an der ersten von drei Rohrmündungen in der anderen Hälfte des Containers vorbei. Bei der zweiten blieb er stehen und steckte den Kopf in die Öffnung. Er führte die Taschenlampe ins Rohr und leuchtete nach oben.
    Das Rohr ging in einen Schacht über, der zunächst schräg zur Seite verlief, mit einer Neigung von vielleicht sechzig Grad. In ungefähr acht Meter Entfernung ging es steil nach oben. Dort begann also eine sieben Meter lange Kletterpassage.
    Er hoffte, daß um vier Uhr in der Nacht niemand Müll aus der kleinen Pantry in den Schacht warf.
    Dagegen konnte ihn natürlich jemand hören.
    Das Rohr war aus Metall, wahrscheinlich irgendeine Aluminiumlegierung. Unvorsichtige Bewegungen würden aller Wahrscheinlichkeit nach ein ziemlich gutes Echo geben, auch wenn das Rohr direkt an den dicken Steinwänden entlanglief und gedämpft war.
    Er merkte, wie er stank.
    Sie würden ihn auf der Stelle riechen können.
    Marconi: »Nimm eine komplette zweite Garnitur Sachen mit. Zieh eine Hose mit vielen geräumigen Taschen an. Rein theoretisch also.«
    Am schwersten war es, hochzukommen. Er steckte etwas mehr als bis zu den Achseln in der Röhre. Er mußte also so hoch wie möglich springen, sich festklemmen, sich mit den verstärkten Ellenbogen gegen die Wand der Röhre stemmen und aufwärtsrobben, bis die Füße ihren Part übernehmen konnten. Die Schräge machte es ein bißchen einfacher.
    Er sprang und klemmte sich fest. Er stemmte sich mit den Ellenbogen gegen die Röhrenwand und robbte aufwärts, bis die Füße mitmachen konnten. Es ging. Jetzt saß er fest in dem schrägen Schacht. Er leuchtete über sich. Die acht Meter kamen ihm wie achthundert vor. Jetzt mußte er mit seinen Kräften haushalten.
    Dies hier war ja erst das Vorspiel.
    Es dauerte. Langsam, Stück für Stück, arbeitete er sich nach oben. Er spürte, daß er mehr Kraft verbrauchte, als er sollte.
    Für die acht Meter brauchte er fast eine Viertelstunde. In dem Knick des Schachts, da, wo die Schräge in die Senkrechte überging, blieb er sitzen und schöpfte Atem. Er öffnete eine weitere Hosentasche und entnahm ihr eine Flasche mit einem Energietrunk. Er goß ihn hinunter, steckte die Flasche wieder in die Tasche und wartete, bis sein Atem sich beruhigt hatte. Die Wirkstoffe des Energietrunks erreichten das Blut. Seine Kräfte erneuerten sich.
    Er leuchtete in den senkrechten Schacht hinauf. Eine sehr große Zahl von Metern über ihm, siebenhundert vielleicht, dachte er, machte der Schacht wieder einen Knick und verlief schräg nach oben.
    Der Endspurt eines Marathonlaufs.
    Dann begann er, sich hochzuarbeiten. Es war mühselig, aber er fand bald einen Rhythmus, den er ausnutzen konnte. Er leistete Schwerstarbeit, doch trotz der Anstrengung gab er kaum Geräusche von sich. Trotz seiner schnellen Atemzüge empfand er eine gewisse Genugtuung darüber, daß er keinen Laut von sich gab.
    Da kam die Mülltüte.
    Er hörte, wie die Klappe für den Mülleinwurf geöffnet wurde, war also vorbereitet. Er hielt den Atem an und drückte sich mit aller Kraft an die Schachtwand. Während er wartete, kam das Geräusch näher und näher. Er spannte bis zum äußersten die Nackenmuskeln an. Dann klatschte die Mülltüte auf seinen Kopf.
    Er spürte den Gestank.
    Abfall von Schalentieren.
    In dieser unglücklichen Lage schaffte er es, zu denken. Er wollte die Tüte nicht am Kopf vorbeilassen, für den Fall, daß sie irgendwo zwischen seinem Gesicht und der Schachtwand oder seiner Brust und der Schachtwand steckenblieb. Es war besser, sie auf dem Kopf bis zum Knick in der Röhre zu transportieren und dort zu versuchen, sich an ihr vorbeizuwinden. In einem Knick entsteht automatisch mehr Platz.
    Also kletterte er die letzten drei Meter mit einer Mülltüte auf dem Kopf aufwärts, wie eine aus der Art geschlagene afrikanische Wasserträgerin.
    Im Knick gelang es ihm tatsächlich, sich an der Mülltüte vorbeizuwinden. Er saß im
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher