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Tief

Tief

Titel: Tief
Autoren: Mike Croft
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eingreifen würden. Aber dann sah er schließlich die drei gefürchteten Gesichter auf dem Bildschirm – Gunning in der Mitte, den Kommandanten des U-Boots links von ihr und Ormond … Seine Verzweiflung war mit Worten nicht zu beschreiben. Er sackte in seinem Sessel zusammen, und wenn sich sein Brustkorb nicht gehoben und gesenkt hätte, hätte man ihn für tot halten können. Die schrecklichen Bilder der Unterwasserkatastrophe drangen kaum in sein Bewusstsein, und er bewegte sich nur, als Kate Gunning berichtete, dass die HMS Tenacious angegriffen worden war. Die Russen hatten es also versucht, und die Wale hatten den Torpedo aufgehalten? Das war unerträglich! Ormond war gesegnet, von den Göttern beschützt, nicht umzubringen. Einen Moment lang lächelte Rattigan beinahe.
    Rattigans Haus war von einem prachtvollen Park umgeben, in dem Rattigan selbst sich nur selten aufhielt. Der fest angestellte Gärtner und die beiden Teilzeitkräfte hatten ihn in all den Jahren vielleicht fünfmal gesehen. Aber eine Stunde nachdem die Sendung zu Ende war, sahen sie ihren Arbeitgeber auf sich zukommen. Der fest angestellte Gärtner schluckte nervös. Seine beiden Kollegen verschwanden alarmiert.
    »Ja, Sir?«
    Auf einer Zwergbirke saß eine Amsel und sang lieblich. Ein Flugzeug hinterließ am blauen Himmel eine weiße Spur. Rattigan blieb stehen und rieb sich langsam mit den Knöcheln über den Mund. Seine wulstigen Lippen waren ständig in Bewegung. Der Gärtner versuchte, sich seinen Ekel nicht anmerken zu lassen, aber es fiel ihm schwer. Sein Arbeitgeber wirkte furchterregend – nicht nur unrasiert und ungewaschen, sondern auch völlig verwirrt. Verängstigt blickte der Gärtner zu Boden und wartete.
    Rattigan hörte auf, seine Lippen zu bearbeiten und begann zu niesen: einmal, zweimal, dreimal, viermal, fünfmal … Es dauerte über eine Minute, mehr als zwanzigmal nieste er. Schließlich war er völlig außer Atem. Vor ihm stand ein Gärtner. Warum bin ich herausgekommen?, dachte er. Es hat irgendeinen Grund gegeben …
    »Ja.«
    »Äh, Sir?«
    »Gut …« Eine Pause. Rattigan wirkte gedankenverloren. Dann stellte er abrupt die Frage: »Können Sie Auto fahren?«
    »Ja, Sir.«
    »Glauben Sie, Sie können einen Bentley fahren?«
    »Warum nicht?«
    Rattigan nickte und wandte sich ab, zufrieden mit sich, weil ihm eingefallen war, dass sein offizieller Fahrer nirgendwo zu finden war. Er ging geradewegs wieder zum Haus zurück, wobei er über ein paar Blumenbeete trampelte. An der Terrassentür drehte er sich um und sah, dass der Gärtner ihm nicht gefolgt war. Verwirrt rieb er sich die Augen. Warum kam der Mann nicht? Wie wollte er den Bentley fahren, wenn er nicht mit- kam?
    Der Gärtner ließ seine Hacke fallen und eilte zum Haus.
    Irgendetwas ging Rattigan durch den Kopf. Es nagte an ihm, als der Bentley die Rampe hinauffuhr und die Einfahrt entlangrollte. An den Toren drängten sich Hunderte von Leuten. Als der Bentley durch die Menge fuhr, schrien und brüllten sie und schlugen an die Scheiben und auf das Dach des Wagens. Rattigan sah verzerrte Gesichter, bleiche Handflächen, die sich auf das dunkle Glas drückten. Warum sind sie so aufgeregt?, fragte er sich verwundert. Der Bentley fuhr die Bishops Avenue entlang und bog in die Hampstead Lane ein. Hinter ihnen sprangen die Journalisten in Autos oder schwangen sich auf Motorräder, um ihnen zu folgen.
    »Das ist der Heath!«, sagte Rattigan zu sich und blickte aus dem Fenster.
    »Ja, Sir«, drang die Stimme des Gärtners leicht verzerrt aus der Gegensprechanlage.
    Rattigan wirkte überrascht, den Mann zu hören, aber es schien ihm nicht zu missfallen.
    »Wohin möchten Sie fahren?«
    »Was?«
    »Wohin soll ich Sie bringen, Sir?«
    Rattigan nickte konzentriert. Wohin fahre ich?, fragte er sich. Er glaubte, ein Ziel gehabt zu haben, konnte sich aber nicht mehr erinnern.
    »Fahren Sie einfach herum.«
    »Sir?«
    »Fahren Sie einfach um den Heath herum.«
    Sie bogen in die Spaniard’s Road ein, am Spaniard’s Inn vorbei. Der Konvoi hinter ihnen wurde immer länger. Ein Motorrad fuhr neben ihnen her, und die Gestalt auf dem Sozius begann, Fotos zu schießen. Ein Blitzlicht folgte auf das andere. Das störte Rattigan. Ohne besondere Bosheit, eher unwillkürlich, öffnete er die linke Tür und schwang sie gegen das Motorrad. Die Maschine scherte nach links aus, geriet aus der Bahn und prallte auf dem Bürgersteig gegen ein Straßenschild. Fahrer und Mitfahrer wurden von
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