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Thurner, M: Elfenzeit 18: Rache der Verbannten

Thurner, M: Elfenzeit 18: Rache der Verbannten

Titel: Thurner, M: Elfenzeit 18: Rache der Verbannten
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Zwischenwelt gar nicht geben durfte, warf ihre Winterstrahlen flach übers Land.
    Es war kalt. Nadja zog ihren Umhang fröstelnd enger. Soeben schob sich ein schwarzer Schatten vor die Sonnenkorona, und im selben Augenblick fühlte sie die Kälte auch in ihrem Herzen. Schmetterlinge, besser gesagt: Schmetterlingsflügel, trieben im kalten Wind dahin. Die schwarze Masse umrundete das Königreich immer wieder und schuf einen Teil jener Grenze, die den Getreuen und Bandorchu davon abhielt, in Lyonesse einzufallen.
    »Es war einmal schön hier«, sagte Doolin.
    »Es ist noch immer atemberaubend schön«, betonte sie.
    »Nur ein Abklatsch dessen, was einmal war. Zu jeder Zeit des Jahres tönte Musik durch die Gassen, der Rosenduft war betörend, die Bewohner feierten und waren glücklich. Aber nun …«
    Doolin schwieg. Nadja wusste, worauf er abzielte – und warum er seinen Ärger nicht in Worte fassen konnte. Alebin hatte Macht über ihn, so wie auch über ein Dutzend weiterer Gesellen, die im Rosen-Palast Dienst versahen. Allerdings nahmen der Bucklige und die alte Hexe Koinosthea eine herausragende Position im Gefolge des Elfen ein. Seit geraumer Zeit fragte Nadja sich, wie dieses Naheverhältnis zu erklären war. Wenn sie einen Fluchtplan entwickeln wollte, benötigte sie so viele Informationen wie möglich.
    Stumm wanderten sie den schmalen, ausgetretenen Weg hinab in die Stadt. Links und rechts reihte sich ein Prachtbau an den nächsten. Rosen in allen Farben und Schattierungen hingen in Büscheln über gekalkten Mauern, Speerlinge zwitscherten vor sich hin, golden schimmernder Efeu rankte sich an Hauswänden nach oben. Moosiger Boden dämpfte den Klang ihrer Schritte. Es war ruhig.
Zu
ruhig.
    Am Ende des Weges blieb Doolin stehen und deutete auf das Zentrum jenes Platzes, der sich vor ihnen ausbreitete. Es wurde von einem runden, mehr als zwei Meter durchmessenden Ziehbrunnen beherrscht, in dessen Stein unzählige Runen und Zeichen geritzt waren.
    »Der Wünschelbrunnen«, sagte der Bucklige andächtig.
    »Man wirft eine Münze ins Wasser, denkt an einen Wunsch, und mit ein wenig Glück geht er in Erfüllung.« Nadja wusste ganz genau, um was sie bitten würde, hätte sie die Gewissheit, dass dieses Ding funktionierte.
    »Das ist eine typisch menschliche Auslegung eines alten Mythos«, widersprach Doolin. Er lächelte schief, sein Buckel wanderte langsam von der linken zur rechten Schulter. »Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus: Du stellst sich zum Brunnen und wartest. Mitunter musst du ganz schön viel Geduld aufbringen. Siehst du den Tropfstein dort drüben? Das ist der alte Gaewych. Er kam hierher, als Tristan noch ein junger Knabe war.« Ein kurzes Räuspern, dann fuhr Doolin fort: »Aber zurück zum Prozedere: Du musst dich konzentrieren und zu begreifen versuchen, welch ein Wunder unten im Brunnen vor sich geht. Was für ein Geschenk der Natur es ist, dass wir kurzlebigen Wesen mit frischem Wasser versorgt werden, mit eiskaltem Nass, das sich mithilfe der Götter einen Weg durch Erdreich und Fels gebahnt hat, um uns am Leben zu erhalten. Wenn du dies verinnerlicht hast und beginnst, das Geheimnis der Lebenswerdung wirklich, wirklich zu begreifen – dann wird der Brunnen mit dir sprechen. Er wird einen Wunsch äußern …«
    »
Der Brunnen
wird etwas
von mir
verlangen?«, unterbrach Nadja entgeistert.
    »Was dachtest du denn?« Doolin kicherte. »Er wird dir die Möglichkeit geben, deine Dankbarkeit für das Wunder der Schöpfung zu beweisen, und so ein besseres Wesen aus dir machen.«
    Nadja versuchte zu verstehen. »Ich glaube, dass mir die Geduld dafür fehlt, stehend zu warten, bis der Brunnen
Hallo!
zu mir sagt.«
    »Ein, zwei Jahre könnten reichen, meine Hübsche. Wenn du dann noch bei klarem Verstand bist und über ausreichend Vermögen verfügst, suchst du dir einen Stellvertreter und platzierst ihn stellvertretend für dich am Wünschelbrunnen.«
    Nadja stutzte. »Machst du dich etwa über mich lustig?«
    »Wer weiß, wer weiß …« Der Bucklige lächelte erneut, betrat den Platz und passierte den Brunnen in respektvollem Abstand. Als er jenen patzig wirkenden Massehaufen passierte, den er als versteinerten Gaewych bezeichnet hatte, streichelte er mit einer Hand über das bunt bemalte Objekt. Es steckte in einer metallenen Fassung. Runenzeichen waren in Bodennähe eingeritzt.
    Nadja fröstelte und machte, dass sie weiterkam. Spielte ihr die Fantasie einen Streich, oder hatte sie tatsächlich
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