Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Theo

Titel: Theo
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
(Theo) ausschließlich auf der Piste, vom Morgengrauen bis zum Einbruch der Dunkelheit. Nach dieser Woche musste Skibesessenheit neu definiert werden. Am liebsten wäre Theo in voller Ausrüstung und mit angeschnallten Skiern schlafen gegangen, um in der Früh nicht kostbare Zehntelsekunden Fahrzeit zu versäumen. Auf besagter Hütte nun bahrten wir zu Mittag unsere müden Knochen auf. Nur einer rebellierte: Theo. Er könne und wolle nicht einfach so sinnlos dasitzen und Spaghetti essen, während draußen die Gondeln und Sessellifte herumschwirrten, meinte er. »Wenn du dich unbedingt bewegen willst, dann dreh ein paar Runden um die Hütte«, sprach da die Mutter. Zwischenfrage: Was denken Sie, wenn Sie solche Sätze hören? – Richtig, es ist der Humor von Erwachsenen, die Kinder mit völlig hirnrissigen Alternativen zu verordneten Tätigkeiten (in diesem Fall zur Mittagspause in der Skihütte) nötigen wollen. Was aber machte Theo? Sein Mund krümmte sich nach unten, sein Blick verdunkelte sich. »Gut!«, sagte er mit Todesverachtung, verließ die Hütte, schnallte seine Skier an und begann das Gebäude zu umkreisen, einmal, zweimal, dreimal. Immer, wenn er beim Fenster vorbeikam, sahen wir ihn, keuchend, mit hochrotem Gesicht, aber bereit, die Herausforderung des Schicksals anzunehmen. Das löste eine Welle des Mitleids aus. An den Nachbartischen wurde bereits gemurmelt, kinderfreundlicheItaliener schielten argwöhnisch zu uns herüber. Nach einer halben Stunde – Theo muss etwa in Runde 65 gewesen sein – beendeten wir das grausame Spiel, erlösten Theo und gingen mit ihm Ski fahren, bis in die tiefe Nacht.
     
    Was machen die Mädchen?
     
    Hallo Theo, wie geht’s dir?
    THEO: »Gut. Und dir?«
    Auch gut, danke. Aber bleiben wir bei dir. Theo, angenommen, man würde dich allein auf eine einsame Insel versetzen. Welche drei Dinge würdest du mitnehmen?
    THEO: »Handy, Essen und ein Boot, um zurückzufahren.«
    Nein, Theo, Boot gibt es keines.
    THEO: »Und womit versetzt man mich dann auf die Insel?«
    Okay, lassen wir’s. Eine andere klassische Frage: Was bedeutet für dich Glück?
    THEO: »Von dir nachträglich ein Geburtstagsgeschenk zu bekommen.«
    Oh je, hab’ ich vergessen! Du kriegst es zu Weihnachten, versprochen!
    THEO: »Aber nicht statt dem Weihnachtsgeschenk!«
    Theo, deine Lieblinge des Jahres: Lieblingsbuch, Lieblingsspeise, Lieblingsgetränk, Lieblingssendung.
    THEO: »›Komm, süßer Tod‹ von Wolf Haas, gegrillteGoldbrasse, Leitungswasser, ›Malcolm mittendrin‹ und ›Simpsons‹.«
    Wofür würdest du dein gesamtes Taschengeld ausgeben?
    THEO: »Für gar nichts, ich hab’ meine Eltern.«
    Hast du eine Frage, die noch nicht gestellt ist, die du aber gerne beantworten würdest?
    THEO: »Ja: ›Was hältst du von Rapid?‹«
    Gut: Was hältst du von Rapid?
    THEO: »Der achte Platz ist zwar nicht das Gelbe vom Ei, aber besser als die Austria.«
    Theo, noch eine letzte Frage, die uns alle brennend interessiert: Was machen die Mädchen?
    THEO: »Da musst du die Mädchen fragen.«

Oktober 2007
     
    Theo ist dreizehn und sowohl körperlich als auch geistig ziemlich gut drauf. Wenn Ihnen einmal ein Name nicht einfällt, der in den Nachrichten der vergangenen fünf Tage genannt wurde, fragen Sie am besten ihn. Kann ruhig ein aserbaidschanischer Politiker aus der dritten Reihe sein, Theo merkt sich alle. Wenn man seinen Kopf von außen betrachtet, wundert man sich, wo da dieses Monstergedächtnis Platz haben kann.
    Wenn Sie ihn sehen wollen, dann kommen Sie bitte zu einem Heimspiel des SC Mauerbach. Die Chancen, dass aus Theo ein Fußballer wird, sind jedenfalls intakt. Die Schule packt er locker nebenbei. (Würde ich jetzt behaupten, er sei ein Musterschüler, müsste ich nachträglich wohl eine Entgegnung schreiben: Wahr ist vielmehr – Theo ist ein ganz normaler guter Schüler.)
    So. Wir werden uns jetzt aus der Öffentlichkeit zurückziehen. (Oder besser: ich ihn.) Das liegt weniger an Theo als an mir. Meinen Ehrgeiz hat er längst befriedigt. Als Porträt-Theo hat er sich verselbstständigt. Der echte Theo ist seiner Kunstfigur entschlüpft. Er ist viel geheimnisvoller, als man glauben möchte. Er ist viel zu ernst und tiefgründig, um ewig als Showmaster in der Auslage zu stehen. Er ist zu einmalig, um hier als personifizierte Zeitmessmaschine in Pension zu gehen. Er hat eine Persönlichkeit entwickelt, eine Privatpersönlichkeit,die hier weder in noch zwischen den Zeilen etwas zu suchen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher