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Theo Boone und das verschwundene Mädchen: Band 2 (German Edition)

Theo Boone und das verschwundene Mädchen: Band 2 (German Edition)

Titel: Theo Boone und das verschwundene Mädchen: Band 2 (German Edition)
Autoren: John Grisham
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Strattenburg war die geschäftige Gegend »unter der Brücke« berüchtigt gewesen wegen ihrer Spelunken, Spielhöllen und anderer fragwürdiger Örtlichkeiten. Als der Verkehrsstrom auf dem Fluss versiegte, schlossen die meisten Lokale, und das zwielichtige Publikum zog weiter. Allerdings blieben genügend finstere Gestalten zurück, sodass das Viertel nach wie vor einen üblen Ruf genoss.
    »Unter der Brücke« hieß irgendwann einfach nur noch »die Brücke« und wurde zu einem Stadtteil, der von allen gesetzestreuen Bürgern gemieden wurde. Selbst tagsüber wurde es dort nie richtig hell, weil ein hoher Steilhang seine Schatten warf. Nachts gab es kaum Straßenbeleuchtung und wenig Verkehr. Die Bars und finsteren Lokale suchte man nur auf, wenn man sich Ärger einhandeln wollte. Die Häuser waren eher Hütten und standen auf Stelzen, um sie vor dem Hochwasser zu schützen. Ihre Bewohner wurden gelegentlich als »Flussratten« bezeichnet, ein Spitzname, den sie verständlicherweise als Beleidigung empfanden. Wenn sie mal arbeiteten, fischten sie im Yancey und verkauften den Fang an eine Fabrik, die Dosenfutter für Tiere herstellte. Viel gearbeitet wurde hier allerdings nicht. Die Leute lebten in den Tag hinein, ernährten sich von dem, was der Fluss hergab, oder von der Wohlfahrt, stritten sich untereinander um nichts und taten alles, um ihrem Ruf als hitzköpfige Faulenzer gerecht zu werden.
    Früh am Donnerstagmorgen begann auch hier die Suche.
    Buster Shell, eine Flussratte, verbrachte den Großteil des Mittwochabends in seinem Stammlokal, wo er sein billiges Lieblingsbier kippte und um Centbeträge Poker spielte. Als ihm das Geld ausging, blieb ihm nichts anderes übrig, als den Heimweg zu seiner reizbaren Ehefrau und seinen drei Rotznasen anzutreten. Auf dem Weg durch die engen, unbefestigten Straßen prallte er mit einem Mann zusammen, der es eilig zu haben schien. Sie wechselten ein paar unfreundliche Worte, wie es unter der Brücke so üblich war, aber der andere schien kein Interesse an einer Prügelei zu haben– ganz im Gegensatz zu Buster.
    Buster setzte sich wieder in Bewegung, blieb aber plötzlich wie angewurzelt stehen. Das Gesicht hatte er schon einmal gesehen, und zwar erst vor wenigen Stunden. Es war die Visage des Kerls, den die Cops suchten. Wie war noch gleich sein Name? Buster, der schon ziemlich benebelt war, schnippte mitten auf der Straße mit den Fingern, während er sich das Gehirn zermarterte.
    »Leeper«, sagte er schließlich. »Jack Leeper.«
    Mittlerweile wusste praktisch ganz Strattenburg, dass die Polizei eine Belohnung in Höhe von fünftausend Dollar für Hinweise ausgesetzt hatte, die zur Ergreifung von Jack Leeper führten. Buster konnte das Geld geradezu riechen. Er sah sich um, aber der Mann war längst weg. Allerdings war jetzt klar, dass sich Leeper– und Buster war fest davon überzeugt, dass es sich tatsächlich um Jack Leeper handelte– irgendwo unter der Brücke aufhielt. Er trieb sich in Busters Viertel herum, einem Teil der Stadt, von dem sich die Polizei fernhielt. Hier galt das Gesetz der Flussratten.
    Binnen weniger Minuten hatte Buster einen kleinen, bis an die Zähne bewaffneten Suchtrupp zusammengetrommelt: ein halbes Dutzend Männer, die genauso angetrunken waren wie er selbst. Das Gerücht, dass sich der entflohene Sträfling in der Nähe aufhielt, verbreitete sich in der Nachbarschaft wie ein Lauffeuer. Die Leute vom Fluss mochten sich ständig in den Haaren liegen, aber bei einer Bedrohung von außen wurden die Reihen blitzartig geschlossen.
    Da kein Mensch auf die Befehle hörte, die Buster brüllte, kam die Suche nach Leeper nur langsam in Gang. Es gab beträchtliche Meinungsunterschiede im Hinblick auf die Strategie, und nachdem jeder der Männer eine geladene Waffe mit sich herumtrug, ging es bei den Meinungsverschiedenheiten ordentlich zur Sache. Nach einer Weile einigten sie sich jedoch darauf, die Hauptzugangsstraße zu bewachen, die den Steilhang hinauf in die Stadt führte. Damit konnte Leeper nur entkommen, wenn er ein Boot stahl oder über den Yancey schwamm.
    Die Stunden vergingen. Buster und seine Männer gingen von Tür zu Tür, suchten eingehend unter den Häusern, hinter den Hütten, in den kleinen Geschäften und im Gestrüpp. Dabei wurde der Suchtrupp immer größer, und Buster fragte sich, wie sie die Belohnung unter so vielen Leuten aufteilen sollten. Wie konnte er so den größten Teil selbst einstreichen? Das würde schwierig
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