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Themba

Themba

Titel: Themba
Autoren: Lutz van Dijk
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nun jeder hören möchte, wie ich es geschafft habe, beim besten Klub der Stadt zu landen. Ich zögere kurz, räuspere mich einmal und sage dann laut und deutlich vor dem ganzen Saal: »Damals war meine Mutter sehr krank. Sie hatte AIDS, und meine Schwester und ich kamen nach Kapstadt, um sie zu suchen und ihr zu helfen. Zu Ajax Cape Town ging ich, weil ich verzweifelt Arbeit suchte. Ich hätte auch Gras gemäht oder Autos gewaschen.«
    Das anfänglich freundliche Interesse an meiner Person ist einer knisternden Spannung gewichen. Normalerweise gibt es hier wohl nur kurze Fragen und Antworten. Auch Steve schaut fragend zwischen dir und mir hin und her, als wollte er wissen: Wo will er hin mit seiner Geschichte?
    Aber ich habe das Mikro noch immer in der Hand und alle Zeigefinger im Saal sind für den Moment nach unten gesackt.
    »Ich spiele sehr gern Fußball, noch genauso gern wie damals auf den grünen Hügeln von Qunu«, fahre ich fort, um schließlich noch das Wichtigste loszuwerden, bevor meinem Mikro der Saft abgedreht wird: »Ich bin noch jung, und ich weiß nicht, ob ich es schaffe, an der Spitze im Fußball zu bleiben, aber ich möchte zumindest sagen, dass ich seit ein paar Tagen weiß, dass ich HIV-positiv bin.«
    Für mindestens fünf Sekunden herrscht Totenstille im Saal, dann bricht ein unglaublicher Tumult los. Einige Reporter und Mitspieler klatschen Beifall, andere pfeifen aus Protest.
    Steve kann sich nur mit Mühe über sein Mikrofon durchsetzen: »Das war nicht abgesprochen, nicht dass Sie das denken! Aber dieser junge Mann verdient in jeder Hinsicht unsere Anerkennung!« Er gibt mir demonstrativ die Hand und wieder klatschen einige im Saal. Ganz deutlich erkenne ich dein lachendes Gesicht neben der Tür, Andile.
    Schließlich hat aber auch ein junger Reporter mit Brille und Dreadlocks ein Mikro ergattert und vertritt offensichtlich die Gegenseite: »Ich finde das überhaupt nicht! Themba hat den Fußball als Plattform für seine persönlichen Probleme missbraucht...!«
    Auch er bekommt viel Beifall.
    Kaum jemand hält sich noch an irgendwelche Regeln oder wartet gar, bis er ein Mikro bekommt. Alle diskutieren wild durcheinander über meine Aussage. Mehrere Scheinwerfer erlöschen, einige Kameras richten sich auf den Tumult im Saal, bevor auch sie abgeschaltet werden.
    Steve nickt mir beruhigend zu, und du, Andile, streckst mir sogar den hocherhobenen Daumen entgegen, als ich vom Podium herabklettere und mich mühsam zum Ausgang schiebe.
    Als ich endlich draußen bin und mich umschaue, wo du abgeblieben bist, kommt plötzlich Sandile heftig winkend auf mich zu.
    Ich denke erst, dass er mir seine Meinung zu dem Spektakel sagen will, und warte auf ihn.
    Als er vor mir steht, holt er einen kleinen gefalteten Zettel aus seiner Jackentasche und sagt: »Themba, heute Morgen hat jemand bei uns in der Redaktion angerufen und nach deiner Anschrift und Telefonummer gefragt. Ihm ist das Interview in der Zeitung aufgefallen. Er meinte, er sei ein naher Familienangehöriger, der lange keinen Kontakt mit dir hatte.«
    Wer mag das sein? Außer Mutter, Nomtha und Tatomkhulu habe ich keine nahen Familienangehörigen, da bin ich ganz sicher.
    »Natürlich habe ich ihm nicht ohne deine Erlaubis deine Adresse gegeben«, versichert Sandile. »Aber ich habe ihn gebeten, mir seinen Namen und seine Telefonnummer zu nennen, und versprochen, es dir auszurichten.«
    Damit faltet er den kleinen weißen Zettel auseinander und reicht ihn mir. Erst kann ich die Handschrift nicht gut entziffern. Dann rempelt uns jemand versehentlich an und der Zettel fällt zu Boden. Als ich ihn wieder in der Hand habe, gehe ich einen Schritt ans Fenster, um besser lesen zu können.
    »Vuyo Matakane«, steht auf dem Zettel. Und eine Handynummer. Vuyo Matakane...
    Nichts lasse ich mir anmerken.
    Als ich den Zettel in die Tasche stecke, fragt Sandile: »Kennst du den?«
    »Ja«, sage ich leise und denke nur noch daran, wie ich so schnell wie möglich Nomtha finden kann.

Eine Zukunft für Themba - Kinder, Jugendliche und AIDS in Südafrika
    Südafrika ist ein junges Land voller Hoffnungen: Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist 15 Jahre und jünger. Auch der Staat Südafrika ist noch nicht alt: Erst 1994 wurde das neue demokratische Südafrika gegründet, nachdem die jahrhundertelange Unterdrückung durch Rassismus und Apartheid endlich offiziell abgeschafft worden war. Nelson Mandela, der selbst jahrzehntelang im Gefängnis war, weil er sich
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