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The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

Titel: The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)
Autoren: Shane O'Doherty
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unauffälligen Position ging man stets davon aus, dass ich das Richtige tat, wo immer ich auch war.
    Diese Annahme habe ich ein- oder zweimal erschüttert, wenn auch nicht absichtlich. Es passierte ein schreckliches Missgeschick, das mich einige Monate lang in den Vordergrund rückte. Ich hatte die übliche Schwäche eines Jungen für Kinderwaffen wie Gummischleudern oder Zwillen und verbrachte so manche ungetrübte Stunde damit, es zur Meisterschaft in ihrem Gebrauch zu bringen. Eines Tages, als ich mit Raymond vor unserem Haus spielte, sah ich meinen Cousin Michael auf der anderen Straßenseite daher laufen. Ich legte eine Apfelkitsche in meine Schleuder und schoss sie hoch in die Luft. Sie sollte genau vor ihm landen. Zu meinem endlosen Erstaunen fiel die harte Apfelkitsche nicht nur auf die geneigte Windschutzscheibe eines neben ihm geparkten kugelähnlichen Kleinstwagens, sondern zerschlug auch noch das Glas!
    Raymond und ich versteckten uns in unserem Haus, wobei wir vom Wohnzimmerfenster aus das sehen konnten, was ich als „geplatzte Kugel“ bezeichnen möchte. Ich sah mit wachsendem Schrecken, wie eine bebrillte Dame sich dem Auto näherte, die Windschutzscheibe inspizierte und prompt von der Tochter eines benachbarten Arztes angesprochen wurde, die auf unser Haus zeigte. Die Dame überquerte die Straße und klingelte bei uns, wobei sie die Verräterin an der Hand hielt ... Meine Mutter öffnete die Tür, mein Name wurde gerufen – und voll Übelkeit vor höllischer Angst ergab ich mich meiner Verdammnis. „Shane, hast du die Windschutzscheibe an dem Auto dieser Dame mit einer Schleuder kaputt geschossen?“
    „Ja.“
    Ich wollte eigentlich noch hinzufügen, dass es ein Missgeschick war und keine Absicht, aber mein Stottern hinderte mich daran. Auf jeden Fall wurde die Tatsache, dass die Windschutzscheibe zerbrochen und eine Schleuder dazu benutzt worden war, als Beweis für meine Absicht gesehen. Ich musste eine Zeit der Scham und Ungnade auf mich nehmen, wobei noch dazu kam, dass der Austausch der Windschutzscheibe die damals relativ hohe Summe von fünf Pfund kostete. Ich durfte diesen fünf Pfund teuren Ärger auch nicht vergessen und musste ihn durch Putzen, Scheuern und allgemeines engelsgleiches Helfen im Haushalt abbüßen, um mein gutes Ansehen wiederherzustellen, was ich schließlich auch schaffte.
    Meine einzige frühere Erfahrung mit Gesetzesbruch war eine niederschmetternde Begegnung mit zwei bewaffneten Polizisten der Royal Ulster Constabulary, in einem Bus der Lough Swilly-Busgesellschaft gewesen, der eines Sonntags in der Clarendon Street geparkt stand. Meine protestantischen und katholischen Freunde und ich schafften es, in den Bus hineinzukommen und spielten fröhlich in den Sitzreihen – übrigens völlig ohne irgendwelche zerstörerischen Absichten oder Taten – als zwei bewaffnete Polizisten hereinkamen und uns am Ohr hochzogen, um uns auszuschimpfen. Wir fingen sofort bitterlich zu weinen an. (RUC-Polizisten waren immer bewaffnet und trugen damals wuchtige Pistolenhalfter mit riesigen Webley-Revolvern.) Die Polizisten drohten, sie würden unseren Eltern von unserer Schandtat erzählen, und dann ließen sie uns laufen.
    Ich wusste wirklich nicht viel über die politischen oder kulturellen Unterschiede, die den Hintergrund der Freundschaften bildeten, die ich auf der Straße ganz selbstverständlich einging. Sicher, ein oder zwei Kinder wollten nicht mit Katholiken reden, weil sie das offensichtlich von ihren Eltern so gesagt bekamen. Aber genau solche Vorbehalte fanden sich auch bei manchen Katholiken, die nicht mit anderen Katholiken spielen wollten.
    Als aber eine neue Familie in unsere Nachbarschaft zog, die „Wurst-Dohertys“, die so genannt wurden, weil ihr Vater ein erfolgreiches Metzgergeschäft betrieb, kamen die Unterschiede langsam aber sicher zum Vorschein. Die Wurst-Dohertys waren eine katholische Familie, deren Vater eine herausragende Rolle in der Nationalistischen Partei spielte. Die drei älteren Söhne Seamus, Ian und Tucker, die alle älter waren als ich, und erst recht die Mädchen Maire und Evelyn übernahmen die Führung bei unseren Straßenspielen. Ich erinnere mich an viele Gelegenheiten, bei denen Tucker mit Derek, einem protestantischen Freund aus einer Seitenstraße die „Verbindung zu Britannien“ diskutierte, wie man die Besetzung Nordirlands durch Großbritannien verharmlosend nannte.
    Dereks Hauptargument war immer, dass Irland durch
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