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The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

Titel: The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)
Autoren: Shane O'Doherty
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irgendeine ausgeprägte politische Meinung äußern hören. Er war einfach nur einer der vielen stillen Anhänger der nationalistischen Partei von Eddie MacAteer, vermutlich bis die sozialdemokratische Labour-Partei unter der späteren Führung von John Hume auf der Bildfläche erschien, und war dann ein ebenso stiller Anhänger der SDLP.
    Mein Vater widmete sich seiner Frau, seiner Familie und seinem Beruf als Lehrer. Er starb im Mai 1973 im Alter von 65 Jahren, einen Monat vor seiner Pensionierung als Direktor der Brow of the Hill-Schule. Damals war ich achtzehn Jahre alt. Ich habe keine Ahnung, wie er, wenn er noch länger gelebt hätte, auf meine Verhaftung 1975 und auf die nachfolgende Gerichtsverhandlung im Old Bailey reagiert hätte, wo es um meine Briefbombenkampagne in London ging. Ich weiß auch nicht, wie er auf die Entdeckung meiner Kontakte zur IRA reagierte, worauf ich noch zu sprechen kommen werde.
    Anders als mein Vater kam meine Mutter Sarah aus einer wohlhabenden Familie von Geschäftsleuten. Ihre Eltern verließen 1910 ihr heimatliches Inishowen in Donegal und zogen nach Greenock in Schottland, wo mein Großvater ein Geschäft für Schiffsbedarf eröffnete und mit Altmetall handelte. Der Ausbruch des ersten Weltkriegs vier Jahre später brachte ihm finanziellen Gewinn. Meine Mutter und ihre beiden älteren Brüder wurden in Greenock geboren, und ihre Eltern kehrten 1916, als sie noch ein Kleinkind war, nach Donegal zurück.
    Mein Großvater John Doherty eröffnete sein Geschäft für Schiffsbedarf in Derry und richtete auch einen Busverkehr zwischen Derry und Donegal ein. 1926 zog er nach Derry um, und der Altmetallhandel, den er gründete, wird heute noch unter diesem Namen betrieben.
    Meine Mutter besuchte das Thornhill College am Stadtrand von Derry; als sie damit fertig war, machte sie eine Ausbildung als Friseurin und Kosmetikerin und eröffnete ihren eigenen Salon. Zwei Jahre später begegnete sie meinem Vater, ausgerechnet auf dem Ball der Hals-Augen-Ohrenklinik in der Guildhall in Derry. Sie heirateten im Juli 1939 und machten ihre Hochzeitsreise, wie es damals üblich war, nach Holland, Belgien und Frankreich, wo die Hoteliers auf die Kriegsvorbereitungen ringsumher hinwiesen. Meine Großeltern wohnten neben uns in der Clarendon Street mitsamt meiner Tante, ihrem Ehemann (einem Schotten) und ihrer Familie.
    Ich wuchs im Schatten zweier Schwestern auf und hatte wohl einen Begriff davon, dass außerdem noch vier ältere Brüder existierten, aber ich hatte wenig mit ihnen zu tun, bis ich sehr viel älter war. Vier Jahre lang war ich das Nesthäkchen der Familie, bis das achte und letzte Kind dazukam, so dass ich nicht mehr länger das von allen Seiten verwöhnte Kleinste sein musste.
    Die ältere meiner beiden Schwestern, Brenda, war sehr liebevoll und mütterlich zu mir, und ich kam oft zu ihr, um mich drücken und trösten zu lassen, wenn meine Mutter mit mir schimpfte oder wenn ich Extra-Streicheleinheiten brauchte. Die jüngere, Moira, die nicht ganz zwei Jahre älter als ich war, war meine Rivalin, und es gab jahrelang Feindseligkeiten. Als ich noch klein war und mich gerade daran gewöhnen musste, allein in einem Zimmer zu schlafen, kam sie oft an die Tür geschlichen, durch die tröstliches Licht vom Treppenabsatz hereinfiel. Sie rief: „Gleich kommt der Buhmann und holt dich!“ Und damit schlug sie die Tür zu. Die Dunkelheit überwältigte mich mit Schrecken, und ich lag in meinem Schweiß wie gelähmt, bis ich soviel Mut angesammelt hatte, dass ich durch den dunklen Raum in die Richtung, in der ich die Tür vermutete, rennen konnte. Und meine liebe Schwester hielt die Tür manchmal von außen fest zu!
    Alle Zimmer in unserem großen Haus hatten offene Kamine, die schließlich mit dekorativen Holzverkleidungen zugebaut wurden. Nachts, und besonders wenn es sehr windig war, kamen manchmal Ziegel- und Putzbrocken den Kamin hinuntergepurzelt und schlugen gegen das Brett, was mich so in Panik versetzte, dass mir fast das Herz stehenblieb. Und selbst ohne Schwester und nächtliche Geräusche hatte der ungeheure Druck von theologischen und mythologischen Tatsachen und Gespinsten die Dunkelheit meines Schlafzimmers in einen Tummelplatz für Riesen, Unholde, Teufel und Engel verwandelt, die plötzlich erscheinen und mich zu Tode ängstigen konnten.
    Ich wurde zur Gottesfurcht erzogen, denn Gott konnte mich in die Hölle schicken, wo ich in ewigem Feuer verbrennen musste. Man sagte mir, ich
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