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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)
Autoren: Samantha Shannon
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geändert«, verkündete ich. Der Wächter warf mir einen fragenden Blick zu. »Mit diesem Poltergeist komme ich klar.«
    Er nickte. Vielleicht hatte er es verstanden.
    »Sie kommen!«
    Ich blickte hoch.
    Im hellen Mondlicht stürmten die NVD -Wachen über das Gelände. Sie waren mit Einsatzschilden und Schlagstöcken bewaffnet und hatten eine Gruppe Abgesandte in die Mitte genommen. Birgitta Tjäder war eine davon, ebenso Cathal Bell. Tjäder entdeckte uns als Erste und stieß einen wütenden Schrei aus. Nick hob seine Waffe und zielte auf ihren Kopf. Bei Amaurotikern hatte es keinen Sinn, Geister einzusetzen.
    Ich drehte mich zu den anderen Gefangenen um. Zum ersten Mal, seit sie hierhergekommen waren, brauchten sie Ermutigung. Jemanden, der ihnen sagte, dass sie das schaffen konnten. Und dass sie etwas wert waren.
    Dieser Jemand war dann wohl ich.
    »Seht ihr diese Wachen?«, rief ich und zeigte auf die NVD . »Diese Wachen werden uns daran hindern wollen, von hier zu verschwinden. Sie werden uns töten, denn selbst jetzt wollen sie uns nicht in ihrer schönen Hauptstadt haben. Sie wollen nicht, dass wir weitergeben, was wir hier gesehen haben. Sie wollen bloß, dass wir sterben, und zwar hier und jetzt.« Mein Hals kratzte schmerzhaft, aber ich machte weiter. Musste weitermachen. »Ich werde diesen Zugang jetzt öffnen, und wir werden rechtzeitig aus der Stadt verschwinden. Ihr habt mein Wort, dass wir bis Sonnenaufgang in London sein werden. Und dort wird es keine Tagesglocke geben, die uns in unsere Zellen schickt!« Zustimmendes, wütendes Gemurmel. Michael applaudierte sogar. »Aber dazu müsst ihr das Gelände verteidigen. Diese eine Sache müsst ihr für mich tun, bevor wir für immer von hier weg können. Gebt mir zwei Minuten, dafür sorge ich für eure Freiheit.«
    Sie sagten nichts. Es kamen weder Kriegsgeschrei noch kämpferische Rufe. Doch sie griffen in völligem Einklang nach ihren improvisierten Waffen, zogen so viele Geister an sich wie sie konnten und rückten gegen die NVD vor. Nadine und Zeke folgten ihnen und stürzten sich mitten ins Getümmel. Die Geister, die auf dem Trainingsgelände existierten, schlossen sich der Sache an und flogen wie abgefeuerte Kugeln auf die Wachen zu – allerdings mit doppelt so viel Durchschlagskraft. Nur Jaxon blieb, wo er war, und musterte mich abschätzend.
    »Ausgezeichnete Rede«, gab er zu, »für einen Amateur.«
    Das war ein eindeutiges Kompliment, Lob des Denkerfürsten für seine Ganovenbraut. Aber ich wusste, dass keine echte Bewunderung dahintersteckte.
    Mir blieben zwei Minuten. So lautete das Versprechen.
    »Dani, ich brauche die Maske.«
    Sie griff in ihre Manteltasche. Auf ihrer Stirn sammelten sich Schweißtröpfchen. »Hier.« Schwungvoll warf sie das Ding zu mir rüber. »Nicht mehr viel Sauerstoff drin. Jetzt kommt’s drauf an.«
    Ich trat so dicht wie möglich an das Schloss heran und legte mich dort ins Gras. Nick warf dem Wächter einen warnenden Blick zu. »Ich habe zwar keine Ahnung, wer du bist, aber ich hoffe, du weißt, was du tust. Sie ist kein Spielzeug.«
    »Ich kann nicht zulassen, dass ihr diese Menschen durch das Niemandsland führt.« Der Wächter deutete mit dem Kinn Richtung Wald. »Und solange Ihnen keine Alternative einfällt, Dr. Nygård, ist dies der einzige Weg.«
    Ich schnallte mir das PVS 2 vor Mund und Nase. Es saugte sich fest und begann zu leuchten, um anzuzeigen, dass der Sauerstoff floss. »Du hast nicht viel Zeit«, erklärte Dani wieder. »Ich werde dich schütteln, wenn du zurückkommen musst.«
    Ich nickte.
    »Wächter«, fragte ich schnell, »wie lautete Sebs zweiter Vorname?«
    »Albert.«
    Ich schloss die Augen.
    »Zwei Minuten«, schärfte Nick mir ein, danach hörte ich nichts mehr, zumindest nicht in der physischen Welt.
    *
    Ich sah den winzigen Behälter im Æther. Er nahm mich in sich auf wie eine Traumlandschaft, wie ein Tropfen, der einen anderen absorbiert. Als ich mich umdrehte, stand ich vor dem Geisterjungen.
    Ich bewegte mich nicht näher heran, blieb einfach stehen. Aber dort war er: Sebastian Albert Pearce, der Junge, den ich nicht hatte retten können. Er rannte gegen die Wände an, rüttelte an den Eisenstangen seines Gefängnisses. Außerhalb der Stäbe war die endlose Dunkelheit des Æthers. Sein zu einer wütenden Maske verzerrtes Gesicht war blutverschmiert, und schwarze Asche klebte in seinen Haaren.
    Bei meiner letzten Begegnung mit einem Poltergeist hatte ich meine physische Gestalt
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