Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
The Attack

The Attack

Titel: The Attack
Autoren: Noam Chomsky
Vom Netzwerk:
als sie zur Operation »Unendliche Gerechtigkeit« (Infinite Justice) -
    so die zunächst von der Regierung Bush gewählte Be-zeichnung - bemerkte: »Wir sind Zeugen der unendlichen Gerechtigkeit dieses neuen Jahrhunderts. Zivilisten verhungern, während sie darauf warten, getötet zu werden.«9
    Ihr Urteil verliert nichts an Schärfe, nachdem PR-Spezialisten der Regierung erkannten, daß diese »Unendliche Gerechtigkeit« wohl doch zu sehr an Gott gemahnte. Es war ebenso ein Fehler, wie die Verwendung des Begriffs
    »Kreuzzug«. Also änderte man den Namen der Operation in »Dauerhafte Freiheit« (Enduring Freedom). Auch dazu erübrigt sich jeglicher Kommentar.
    Am 25. September vermerkte die New York Times in einer Randnotiz, daß an die sechs Millionen Afghanen auf Lebensmittellieferungen von UN-Organisationen an-72 Noam Chomsky
    gewiesen seien; hinzu kämen noch dreieinhalb Millionen in Flüchtlingslagern außerhalb Afghanistans, die offensichtlich versorgt werden müssen. Natürlich erkennen die Strategen, daß sie sich als humanitäre Helfer präsentieren müssen, denen daran gelegen ist, die schreckliche Tragödie abzuwenden, die sich nach den Angriffsdrohungen und der von den USA geforderten Schließung der Grenzen abzeichnete. »Experten drängen die Vereinigten Staaten, ihr Image zu verbessern, indem sie die Hilfe für afghanische Flüchtlinge verstärken und den Wiederaufbau der
    Wirtschaft unterstützen.«10 Selbst ohne PR-Spe-zialisten sollten die Regierungsbeamten begreifen, daß sie die Flüchtlinge wie auch die hungernde Bevölkerung in Afghanistan unterstützen müssen, nicht nur, »um Leben zu retten«, sondern »um bei der Suche nach Terrorgruppen Hilfe zu bekommen«.11
    Die Hilfsleistungen müssen so umfassend wie möglich sein, damit die Tragödie nicht in ein paar Wochen Wirklichkeit wird.
    Was kommt nach den Taliban?
    Die US-Regierung könnte den Prozeß des stillschweigenden Völkermords, der jetzt im Gange ist, weiterführen und ihn durch humanitäre Gesten ergänzen, um den Beifall derer zu erlangen, die angetreten sind, das Loblied der edlen politischen Führer zu singen, weil diese zum ersten Mal in der Geschichte »Grundsätzen und Werten« verpflichtet sind und die Welt in eine »neue Epoche« voller Idealismus führen, in der überall der »Unmenschlichkeit ein Ende«
    bereitet wird. Die Türkei schließt sich Washingtons
    »Krieg gegen den Terrorismus« nur allzu gern
    Der Angriff und seine Folgen 73
    an und ist sogar bereit, Bodentruppen zu entsenden, denn die Türken sind, wie Premierminister Ecevit betonte, den USA »besonderen Dank« schuldig, weil Washington, im Gegensatz zu den europäischen Ländern, »Ankara in seinem Kampf gegen den Terrorismus« unterstützt hat. Er meinte damit den bereits erwähnten Völkermord an den Kurden. Zudem lobte Washington die Türkei, weil sie sich den humanitären Bemühungen im Kosovo ange-schlossen hatte, wo sie die gleichen von den USA gelieferten F-16-Kampfbomber einsetzte, die sie bei ihren eigenen
    »ethnischen Säuberungsaktionen« verwendet hatte.
    Außerdem könnte die Regierung versuchen, die Nordallianz in eine lebensfähige Streitmacht zu verwandeln und noch andere, ihr feindlich gesonnene warlords einbeziehen, wie Washingtons früheren Favoriten Gulbuddin Hekmatyar, der sich jetzt im iranischen Exil aufhält. Wahrscheinlich werden britische und US-amerikanische Kommandos in Afghanistan auf Terroristenjagd gehen und dabei die Bombardements so herunterschrauben, daß die
    Radikalislamisten nicht noch weiteren Zulauf erhalten.
    Die jetzigen Aktionen sind allerdings mit der fehl-geschlagenen sowjetischen Invasion der achtziger Jahre nur bedingt vergleichbar. Die Sowjets sahen sich einer schlagkräftigen Armee von etwa 100 000 Soldaten gegen-
    über, die von der CIA und ihren Verbündeten ausgebildet und bewaffnet worden waren. Die US-Armee trifft auf einen zusammengewürfelten Haufen in einem Land, das seit mehr als zwanzig Jahren systematisch zerstört wurde, wofür ein nicht geringer Teil der Verantwortung bei uns liegt. Die Taliban-Milizen können, abgesehen von einem harten Kern, sehr schnell zusammenbrechen.
    Zu erwarten ist, daß die Bevölkerung Afghanistans 74 Noam Chomsky
    eine Invasionsmacht begrüßt, sofern diese nicht allzu offensichtlich mit den mörderischen Banden verquickt ist, die das Land vor der Machtergreifung der Taliban an den Abgrund gewirtschaftet haben. Viele sind vielleicht schon so weit, daß sie selbst
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher