Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Teuflische Versprechen

Teuflische Versprechen

Titel: Teuflische Versprechen
Autoren: Andreas Franz
Vom Netzwerk:
getätigt hatte. Einen Fehler hatte man ihm verziehen, jenen, auf Bernardi alias Kullmer hereingefallen zu sein. Doch in diesem Geschäft verzeiht man grundsätzlich nur einen Fehler. Der Prozess gegen Hohleitner wurde für Anfang Februar festgesetzt, den Vorsitz sollte eine Richterin haben, die bisher ausschließlich Jugendstrafsachen verhandelt hatte.
    Kullmer wurde wegen seines eigenmächtigen Vorgehens von Berger gerügt, gleichzeitig aber auch für seine strategischhervorragende Leistung gelobt, vor allem jedoch dafür, Hohleitner am Leben gelassen zu haben.
    Am frühen Morgen des 5. Dezember fuhr Julia Durant zu ihrem Vater in die kleine Stadt in der Nähe von München. Sie brauchte dieses verlängerte Wochenende, um endlich einmal abschalten zu können. Wie immer, wenn sie ihn besuchte, redeten sie viel über Gott und die Welt, sie kochten zusammen, gingen spazieren, und während einem dieser Spaziergänge sagte sie: »Ich bin wirklich gespannt, wann wir wieder etwas von Leonhardt sehen oder hören werden. Der ist so intelligent, er hat sich jetzt erst mal zurückgezogen und wartet ab, um irgendwann, wenn keiner damit rechnet, wieder aufzutauchen.«
    »Ich muss dir leider widersprechen, was Leonhardts Intelligenz angeht«, entgegnete ihr Vater. »Leonhardt ist nicht intelligent, höchstens nach den von irgendwelchen Wissenschaftlern und Psychologen aufgestellten Tabellen.«
    Als er nicht weitersprach, sagte sie: »Was meinst du damit? Der redet doch jeden in Grund und Boden, der ist schlauer als wir alle zusammen, du natürlich ausgenommen«, fügte sie lächelnd hinzu.
    »Weißt du, Intelligenz hat nichts mit in der Schule erlerntem Wissen zu tun, davon gibt es Millionen von Menschen. Der eine lernt mehr und schneller, der andere weniger und langsamer. Aber sagt das etwas über die Qualität eines Menschen aus? Intelligenz ist nichts anderes als richtig angewandtes Wissen. Und mit richtig meine ich Wissen, das ich zum Nutzen der Allgemeinheit einsetze. In der Kirche habe ich einige hochintelligente Männer und Frauen kennen gelernt, die vorgaben, an Gott zu glauben, aber im Alltagsleben kläglich versagt haben. Sie haben Geschäftspartner übers Ohr gehauen, haben gelogen und betrogen und Dinge gemacht, die einfach nicht Recht waren. Hat das etwas mit Intelligenz zu tun? Nein, das ist der Intellekt,das kalte, selbstsüchtige Denken und Handeln. Andererseits bin ich auf Menschen getroffen, die eher schlicht waren, keine Intelligenzgrößen im herkömmlichen Sinn, aber sie hatten ein Herz für andere. Sie haben mit dem Auge der Liebe gesehen, haben gegeben, statt immer nur zu nehmen. Von diesen Leonhardts gibt es viele. Sie sind raffgierig, heuchlerisch und verlogen, und das ist es auch, was diese Welt oftmals so unlebenswert macht. Wir stehen am Abgrund, du brauchst nur hinzuschauen, wie die Menschen miteinander umgehen …«
    »Ist das jetzt wieder der Pfarrer in dir?«, fragte sie schmunzelnd.
    »Ich werde bis zu meinem Tod Pfarrer sein«, antwortete er ernst, »aber ich bin in meinem tiefsten Innern überzeugt, dass wahre Intelligenz ihren Ursprung im Herzen und nicht im Kopf hat. Weißt du, die größte Prüfung für den Menschen ist der Mensch selbst. Manche bestehen sie, andere fallen durch. Manche helfen, wo Hilfe vonnöten ist, andere schauen einfach weg. Das ist in allen Schichten so, bei den Reichen wie bei den Armen. Und es wird auch immer so sein. Leider.«
    »Also ist Leonhardt in deinen Augen nicht intelligent, sondern intellektuell? Hab ich das richtig verstanden?«
    »Er ist intelligent im weltlichen Sinn, im göttlichen ist er es nicht, denn er missbraucht andere für seine Zwecke. Sein Verstand hat das Herz ausgeschaltet. Er mag wohltätig sein, doch diese Wohltätigkeit ist stets an Bedingungen geknüpft. Er vertuscht damit auch sein wahres Ich, aber darin ist er beileibe nicht allein.«
    »Kann so ein Mensch sich ändern?«, fragte sie.
    »Jeder kann sich ändern, aber dazu muss er seine Fehler einsehen, sie wieder gutmachen, sofern dies überhaupt möglich ist, und vor allem, er darf sie nicht wieder begehen.«
    »Traust du Leonhardt so etwas zu?«
    »Ich mag mir kein Urteil darüber erlauben, denn ich kenne ihn nicht. Wenn ich an den Saulus aus der Bibel denke, der erst mit Blindheit geschlagen werden musste, um zum Paulus zu werden … Wie gesagt, jeder kann sich ändern, er muss nur bereit dazu sein.«
    »Warten wir’s ab«, meinte sie. Dann gingen sie eine Weile schweigend
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher