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Teuflische List

Teuflische List

Titel: Teuflische List
Autoren: Hilary Norman
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richtig hielt.Sorgfältig legte sie jeden Finger ihrer Tochter an die richtige Stelle und wartete insgeheim darauf, dass das Kind gelangweilt reagierte und den Bogen wegwarf.
    Es war der Erziehung und Begabung ihrer Mutter zu verdanken, erkannte Abigail später, dass sie nicht so reagiert hatte. Im Gegenteil – ihre Übungsstunden waren selten langweilig. Sie fand die Musik, die ihre Mutter spielte, sehr schön und hatte den ehrlichen Wunsch, ihr nachzueifern. Fast von Anfang an erregten sie die vollen Töne, die sie dem kostbaren Instrument zu entlocken vermochte. Auch wenn sie manchmal lieber draußen auf den Feldern bei ihrem Dad gewesen wäre, als mit dem Cello zu üben, um ihre Mutter bei Laune zu halten, gehorchte Abigail ihr gern.
    Viel später, wenn sie auf den letzten Abschnitt ihrer frühen Kindheit zurückblickte, fiel es Abigail schwer, genau zu sagen, ab wann sie sich von dem zufriedenen, aufgeschlossenen Kind in die pampige, mürrische Kreatur verwandelt hatte, die schließlich alles zerstört hatte, was in ihrem Leben schön gewesen war. Vielleicht war es die Pubertät gewesen, die diese so genannte »erwachsene Reife« in ihrem Geist und ihrem Körper verbreitet hatte.
    Aber das war keine Entschuldigung.
    »Es war ein schrecklicher Unfall«, sagten alle.
    Nein, es war ihre Schuld, da konnten sie reden, was sie wollten.
    Aber alle hatten Abigail befohlen, das nie zu sagen, und so hatte sie es nie getan.
    Abigail war zu ihrer Tante Betty gezogen, Dougies Schwester, die mit ihrem Mann Bill Innis in einem kleinen Reihenhaus in Ravenscraig lebte, mit einemwinzigen Garten ohne Tiere, mit denen Abigail hätte spielen können (was sie auch nicht verdient gehabt hätte). Eine Zeit lang hatten Tante und Onkel sich redlich bemüht, ihre depressive und deprimierende Nichte zu lieben, doch Abigail hatte es nicht ertragen können, wenn man nett zu ihr war, und so hatten Betty und Bill sich irgendwann damit abgefunden, mit ihrer Nichte zurechtkommen zu müssen, bis sie alt genug war, sie wieder zu verlassen.
    Es war Francescas Cello gewesen, das Abigail vor der völligen Selbstzerstörung bewahrt hatte. Es war der einzige Trost, den sie sich in den Monaten und Jahren nach der Tragödie zugestand, der einzige Gegenstand, den sie vom Hof hatte mitnehmen wollen. Denn das Cello zu behalten, sich darum zu kümmern und täglich darauf zu üben war alles, was sie jetzt noch für ihre Mutter tun konnte.
    Allerdings durfte Abigail nicht im Haus spielen, wegen der Nachbarn – Tante Betty hatte die Musikliebe ihrer Schwägerin ohnehin nie verstanden, sondern sie für ein Symptom ihrer »Fremdartigkeit« gehalten. Also hatte Abigail Miss Howe, ihre neue Musiklehrerin, darum gebeten, das Instrument in der Schule verwahren und dort üben zu dürfen, und Gwen Howe, die das Cello sehr liebte, hatte es auf sich genommen, dort weiterzumachen, wo Francesca aufgehört hatte. Gleichermaßen bewegt von der Tragödie des Kindes wie von Abigails Hingabe an die Musik, hatte Gwen Howe sie kostenlos unterrichtet, und schlussendlich hatte sie Abigail dazu bewegen können, das Konservatorium in Glasgow zu besuchen …
    … den Platz einzunehmen, der rechtens ihrer Mutter zugestanden hätte. Den Platz, den zu akzeptierenAbigail sich geschämt hatte. Doch ihr war klar, dass sie es tun musste – um Francescas willen.
    In den nächsten drei Jahren, umgeben von Leben, unglaublichem Talent, der lauten, geschäftigen Stadt und der Musik, vergaß Abigail manchmal sogar Allen’s Farm, ihre Eltern und die alte Zufriedenheit. Gelegentlich, wenn auch selten, gelang es ihr sogar, den schrecklichen, schicksalhaften Tag zu vergessen. Doch jedes Mal drängte er sich fast augenblicklich schmerzhaft wieder in den Vordergrund, wo er auch hingehörte.
    Dieser Schmerz war alles, worauf Abigail ein Anrecht hatte.
    Bisweilen diente er sogar einem Zweck. Er ließ sie das Cello auf eine Art und Weise spielen, von der andere beeindruckt waren. Allerdings hatte nie jemand das Gefühl, etwas Großem, Erhabenem zu lauschen, wenn Abigail spielte; es waren ihre Unermüdlichkeit und ihre Düsternis, die sie von ihren Kommilitonen abhoben. Ihre Begabung ebnete ihr den Weg in ein professionelles Streichquartett in Glasgow und anschließend (nach einer langen Phase der inneren Einkehr, nach der Abigail beschloss, Schottland den Rücken zu kehren und im anonymen London unterzutauchen) auf die Künstlerliste von Nagy Artists.
    Dort erkannte Abigail dann auch – trotz des
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