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Teuflische List

Teuflische List

Titel: Teuflische List
Autoren: Hilary Norman
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absurden Glücksgefühl. Vielleicht hatte Francesca sich genauso gefühlt, als sie klein gewesen war, dachte Abigail. Und dieses eine Mal – wenn auch nur für kurze Zeit – wurde ihre Freude nicht sofort von Schuldgefühlen hinweggefegt, denn ihrer Mutter hätte die Vorstellung gefallen, dass Abigail über ihre geliebte Musik einen Zugang zu ihrem Sohn fand – Francescas Enkel.
    Über ihr altes Cello.
    Das Cello, das seinen Vater getötet hat.
    Da war es wieder. Säcke voller Schuld drückten ihre Schultern nieder.
    Du hast deine Zeit abgesessen, sagte sie sich. Hör jetzt auf damit.
    Das war leichter gesagt als getan.
    Die Sekretärin der Foldingham Musical Society – eine Frau namens Felicity Barr – war von den Nachbarn alarmiert worden, die Abigails Cello durch die geöffneten Fenster gehört hatten. Eines Tages trat sie bei Shad & Sons, dem Metzger, an Abigail heran.
    »Offensichtlich haben sie hier seit ein paar Jahren ein Streichtrio«, erklärte Abigail später Jules. »Mrs. Barr sagt, sie würden gerne ein Quartett daraus machen.«
    »Mit dir?«, fragte Jules. »Das ist ja wunderbar!«
    »Ich habe ihr gesagt, das käme nicht infrage.«
    »Warum denn nicht?«
    »Weil ich nur noch für mich selbst spiele.«
    »Und für uns, hoffe ich.« Jules grinste. »Olli ausgenommen.« Sie hielt kurz inne. »Du hast in Glasgow doch in einem Quartett gespielt, oder?«
    »Das ist lange her«, sagte Abigail.
    Ein ganzes Leben.
    Sie weigerte sich weitere drei Wochen lang. Doch dann, als Mrs. Barrs Hartnäckigkeit und die Freundlichkeit der anderen Mitglieder der Musikgesellschaft sie für sich gewonnen hatten, gab Abigail nach. Die Stücke waren leicht, mittelmäßig gespielt, aber mit viel Leidenschaft und Wärme. Abigail stellte fest, dass sie genau das gebraucht hatte.
    »Du siehst wunderbar aus«, sagte Philip Quinlan, als er einmal zu Besuch kam. »Gesund und glücklich.«
    »So fühle ich mich auch«, erwiderte Abigail.
    Und war überrascht, denn sie sagte die Wahrheit.

72.
    Als Thomas sechs Jahre alt war, kam er eines Nachts zu seiner Mutter ins Bett – das tat er gerne, wenn er reden oder einfach nur knuddeln wollte – und erzählte ihr, einer seiner Schulfreunde habe einen kleinen Bruder bekommen. Ihm, sagte Thomas, würde es nicht gefallen, einen Bruder zu haben.
    »Du musst dir keine Sorgen machen«, sagte Abigail. »Sollte ich je wieder ein Kind bekommen, wird das noch sehr lange dauern.«
    »Aber eines Tages würdest du?«
    »Das ist eher unwahrscheinlich«, antwortete seine Mutter. »Aber es wäre doch nett, wenn du mal ein kleines Brüderchen oder Schwesterchen hättest, findest du nicht?«
    »Nein«, sagte Thomas. »Das wäre gar nicht nett.«
    »Aber denk doch nur an Olli«, sagte Abigail. »Du liebst ihn, und er ist ganz verrückt nach dir.«
    »Olli ist was anderes«, erwiderte Thomas. »Er ist mein Vetter, nicht mein Bruder, und außerdem war er vor mir hier.« Er hielt kurz inne. »Wenn du noch ein Baby hättest, würde ich es hassen.«
    »Aber nein. Natürlich nicht .« Abigail legte einen Arm um ihn. »Das sagst du nur so, mein Süßer, nicht wahr?«
    Thomas kuschelte sich an sie, wie er es häufig tat und wie sie es gern hatte. Nach kurzer Zeit hatte sie beideArme um ihn geschlungen, und er wusste, dass sie darauf wartete, dass er einschlief.
    »Schon gut«, sagte sie sanft. »Schlaf jetzt.«
    Sie spürte seine Wärme, seine herrliche Nähe, und plötzlich erinnerte sie sich daran, wie sein Vater ihr vor langer Zeit, in ihren Phönix-und-Abeguile-Tagen, gesagt hatte, er habe sich vorgestellt, wie sie sich um ein Kind kümmerte, als er sie zum ersten Mal mit ihrem Cello vor der Wigmore Hall gesehen hatte.
    Sie dachte an ihr Cello und wie Silas dafür gesorgt hatte, dass sie sich verkrampfte.
    Thomas kuschelte sich noch enger an sie und legte die Wange auf ihre Brust.
    Und er blickte zu ihr hinauf.
    »Wenn du je ein anderes Kind hast«, sagte er, »mach ich es tot.«
    »Thomas!«, erwiderte Abigail mit scharfer Stimme. »So etwas darfst du nicht sagen.«
    »Warum nicht?«, fragte Thomas. »Olli sagt, du hättest meinen Vater tot gemacht.«
    Abigail spürte, wie plötzlich ihr Herz raste und ihr Magen hart wie ein Stein wurde.
    Sie blickte in das Gesicht ihres Sohnes. Seine Wange lag noch immer auf ihrer Brust, und nur ein Auge war richtig zu sehen.
    Plötzlich wurde dieses Auge so kalt und hart wie ein grüner Kieselstein.
    In Abigail stieg Übelkeit auf.
    »Ist es wahr«, fragte er beinahe
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