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Teuflische List

Teuflische List

Titel: Teuflische List
Autoren: Hilary Norman
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und warme, gemütliche Plätzchen für den Winter. An manchen Stellen war es ein bisschen dunkel, doch das war nur ein geringer Preis dafür, durch einen wunderschönen alten Baumbestand von einer geschäftigen Straße abgeschirmt zu sein. Außerdem hatten die meisten großen, alten Häuser ihre dunklen Ecken, und ihr Haus verfügte außerdem über hübsche Erkerfenster im Wohn- und Hauptschlafzimmer sowie eine elegante Treppe.
    Bevor seine Mutter ihm das Haus hatte wegnehmen wollen, war Silas sich nie darüber im Klaren gewesen, wie sehr er es liebte; er war sich bisher nie bewusst gewesen, dass es fast schon lebendig war, eine Art Organismus wie eine schützende äußere Haut.
    Wie ein Mantel, hatte er sich selbst einzuredenversucht, als er zu Stephen Wetheralls Büro ging. Ein Unterschlupf. Doch er hatte das nicht wirklich geglaubt. Es war weit mehr als das und würde es immer sein, solange es nur ihr Haus blieb. Das Haus der Familie Graves.
    Sein Haus.

9.
    Vor ihrem Treffen mit Silas hatte Abigail ihre schönste Zeit auf Allen’s Farm verbracht, dem Heim ihrer Eltern in den Pentland Hills, südlich von Edinburgh. Seit sie sich zum ersten Mal ihrer selbst bewusst geworden war, ungefähr mit zwölf, war sie dort fast rundum glücklich gewesen.
    Schule im Dorf. Regelmäßige Fahrten mit Francesca – der in Glasgow geborenen Tochter einer leidenschaftlichen italienischen Musikerin und eines Schotten – nach West Linton, um dort Vorräte und Süßigkeiten einzukaufen. Das Lammen war für ihre Eltern und die Farmhelfer die härteste Zeit des Jahres, doch Abigail hatte diese Arbeit geliebt, weil sie dann Douglas, ihrem Vater, auf den Koppeln half, wann immer ihre Hausaufgaben und der Musikunterricht es erlaubten; manchmal hatte sie sogar die schwächsten Lämmer mit der Flasche füttern dürfen. Nachdem die Tiere entwöhnt waren, begleitete sie ihren Vater auf Transportfahrten nach Lanark – schreckliche Fahrten, denn trotz ihrer jungen Jahre wusste Abigail, was mit den Tieren geschehen würde. Dougie hatte Abigail erklärt, dass Markttage ein grundlegender Bestandteil des bäuerlichen Lebens seien; nur so komme Essen auf den Tisch, und da Abigail nie gesehen hatte, dass ihr Vater grausam zu den Tieren gewesen wäre, vertraute sie ihm und sah ein, dass es sein musste.
    Zweimal im Jahr – einmal wegen des Festivals, dasandere Mal wegen der Weihnachtsbeleuchtung – unternahmen die Allens Fahrten nach Edinburgh. Abigail gefielen die Lichter. Doch ein Schulkamerad, Jamie Cochrane, hatte sie einmal gewarnt, dass die Felsen unter der Burg brüchig wurden und es nur eine Frage der Zeit sei, bis das Ganze in die Princess Street stürzen würde.
    »Genau auf deinen Kopf«, hatte er gesagt.
    Abigails Eltern hatten gelacht, als sie ihnen davon erzählt hatte, und ihr gesagt, sie brauche sich nicht zu fürchten. Die Burg sei fest und unverrückbar und würde noch lange bleiben, wo sie war. Trotzdem musste Abigail stets an Jamie Cochranes Warnung denken und tat ihr Bestes, die Eltern davon zu überzeugen, auf der Ladenseite der Princess Street zu bleiben.
    Am sichersten fühlte sie sich auf der Farm. Dort gab es die Landarbeiter und die Schafe und die wunderbaren Farben und Gerüche des Landes, des Grases, der Wildblumen und die herrliche Weite der zeitlosen Landschaft – und das alles nur für sie. Abigail wünschte sich nichts sehnlicher, als ewig hier bleiben zu können. Während einige Schulfreunde erklärten, sie würden viel lieber in einer der großen, aufregenden Städte wohnen wie Edinburgh, Glasgow oder gar London, konnte Abigail sich kein schöneres Leben vorstellen als auf dem Lande.
    »Wenn ich groß bin«, sagte sie in der Schule zu Jeannie McEwan, »werde ich Farmerin, genau wie mein Daddy.«
    »Aber deine Ma will, dass du Musik machst«, sagte Jeannie.
    »Das ist bloß Spinnerei«, erklärte Abigail. »Wenn ich um die Welt fahre und auf ihrem Cello spiele, wer kümmert sich dann um die Farm?«
    »Vielleicht bekommst du ja noch einen Bruder«, bemerkte Jeannie.
    »Ma kann keine Babys mehr bekommen«, sagte Abigail rundheraus. Dad hatte es ihr schon vor einer ganzen Weile anvertraut. Es hatte irgendetwas mit der Gebärmutter ihrer Ma zu tun; sie seien glücklich, wenigstens Abigail zu haben, hatte Dad gesagt. Abigail fiel es nicht schwer, das zu begreifen, denn ihr Vater hatte erklärt, es sei so ähnlich wie das, was vergangenen Frühling mit einem der Mutterschafe geschehen war – nur dass das Mutterschaft
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