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Teuflische List

Teuflische List

Titel: Teuflische List
Autoren: Hilary Norman
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dazu aufgefordert hatte, und Jules – die sofort losgezogen war, um die Zentralheizung aufzudrehen, nachdem sie ihren Vater gesehen hatte – saß steif in einem Sessel, während Silas stand, um auf diese Weise seine körperliche Überlegenheit zu demonstrieren.
    Graves antwortete seinem Sohn mit einem schwachen, hilflosen Kopfschütteln. »Es ist sinnlos, das jetzt noch einmal durchzukauen.«
    Silas wandte sich angewidert von ihm ab, blickte zu Jules und sah entsetzt, dass sie Mitgefühl mit dem Mann zeigte – jedenfalls sah es für ihn so aus. Sicher, biologisch gesehen war er noch immer ihr Vater, doch zumindest für Silas war er genauso fremd wie Graham Francis, als ihre Mutter ihn zum ersten Mal mit nach Hause gebracht hatte.
    »Ich habe gehört, was mit eurer Mutter passiert ist«, sagte Graves. »Das tut mir Leid.«
    »Offenbar hat es dir nicht Leid genug getan, um auf ihrer Beerdigung zu erscheinen«, bemerkte Silas etwas steif.
    Jules hatte bis jetzt geschwiegen. Für eine Fünfzehnjährige war sie ziemlich groß, noch immer ungewöhnlich schlank, aber mit kräftigen Muskeln vom Volleyball und Schwimmen. Doch während ihr Blick nun ständig zwischen ihrem Bruder und Vater hin und her wanderte, kam sie Silas irgendwie kleiner vor – geschrumpft vom Schock, nahm er an.
    Bastard, dachte er, und wieder schoss Zorn in ihm hoch, weil dieser Mann sie im Stich gelassen hatte. Elender Bastard!
    »Ich kann mir vorstellen«, wagte Paul Graves sich vor, »wie bitter das für euch sein muss.«
    Jules öffnete den Mund, um etwas zu sagen.
    »Ach ja?«, kam Silas ihr zuvor.
    »Ich glaube schon«, sagte Graves ruhig. »Aber ihr beide seht großartig aus.«
    »Das haben wir allerdings nicht dir zu verdanken«, sagte Silas.
    »Nein«, pflichtete sein Vater ihm bei. »Trotzdem macht es mich stolz, euch so zu sehen.« Rasch fuhr er fort: »Du hast den Knochenbau deiner Mutter, Julia.«
    »Sie wird Jules genannt«, verbesserte Silas.
    »Tut mir Leid.« Paul Graves lächelte seine Tochter an. »Das habe ich nicht gewusst.«
    »Dass ich Fotografie studiere, war dir aber sehr wohl bekannt«, sagte Silas.
    »Ich habe versucht, euch beide im Auge zu behalten.« Graves errötete. »Aus der Ferne.«
    »Wo hast …«, setzte Jules an.
    »Du hast uns immer noch nicht gesagt, was du von uns willst«, unterbrach Silas seine Schwester.
    »Silas«, sagte Jules tadelnd.
    Ihr Vater warf ihr einen dankbaren Blick zu.
    »Und?«, setzte Silas nach. »Was willst du?«
    Paul Graves schluckte vernehmlich. »Ich habe mich gefragt, ob ihr mich wohl ein, zwei Tage aufnehmen könntet.«
    Silas starrte auf ihn hinunter; dann machte er auf dem Absatz kehrt und verließ das Zimmer.
    »Tut mir Leid«, sagte Jules zu ihrem Vater, sprang auf und folgte ihrem Bruder auf den Flur. »Silas, nun sei doch nicht so hart …«
    »Das soll wohl ein Scherz sein. Der Kerl macht Witze.«
    »Natürlich macht er keine Witze«, sagte seine Schwester. »Sieh ihn dir doch an.«
    »Er sieht wie ein Penner aus«, sagte Silas. »Er ist eine verdammte Schande für uns.«
    Jules griff hinter sich und schloss die Wohnzimmertür. »Wir müssen ihm helfen.«
    »Um Himmels willen, Jules, du hast wirklich das weichste Herz der Welt. Wir werden diesem Mann nicht helfen.«
    »Er ist unser Vater.«
    »Zehn Jahre, Jules.«
    »Ich weiß«, sagte sie leise. »Ich weiß, aber …«
    »Du warst erst fünf.« Wenn Silas wütend war, wirkten seine grünen Augen deutlich dunkler, und die Pupillen weiteten sich.
    »Ich weiß«, sagte Jules noch einmal. »Und ich weiß, dass du teils um meinetwillen so wütend auf ihn bist.« Sie legte ihm die Hand auf den Arm. »Aber ich glaube nicht, dass wir unseren eigenen Vater einfach so auf die Straße werfen können.«
    »Nenn ihn nicht unseren Vater.«
    Jules schwieg.
    »Mir ist klar«, sagte Silas und nahm seinen Arm weg, »dass dieses Haus technisch gesehen noch immer dir gehört, Jules, aber ich möchte darauf hinweisen …«
    »Bitte, fang nicht wieder damit an, Silas.«
    »Aber ich möchte darauf hinweisen, dass ich hier noch immer der Erwachsene bin. Ich bin derjenige, der sich die letzten zwei Jahre um dich gekümmert und den Haushalt geführt hat.«
    »Ja, sicher, aber …«
    »Ich bin derjenige, dem du gewisse Versprechen gemacht hast.«
    »Ja«, sagte Jules. »Das habe ich, und ich habe nichts davon vergessen.« Sie hielt der Wut ihres Bruders stand. »Aber was hat das damit zu tun, dass wir unseren Vater eine Nacht bei uns aufnehmen?
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