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Teuflische Freunde: Roman (German Edition)

Teuflische Freunde: Roman (German Edition)

Titel: Teuflische Freunde: Roman (German Edition)
Autoren: Faye Kellerman
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Bescheid.
    Um fünf bekam er Bauchschmerzen. Er hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen außer einem Apfel. Eigentlich keine große Sache. Fasten war nichts Neues für ihn. In den letzten acht Monaten hatte er gut zehn Kilo abgenommen.
    Wie geht’s ihr? , hatte er Ariella gefragt.
    Ich hab dir doch gesagt, wir haben keinen Kontakt mehr. Eine Pause am Telefon. Nicht so toll.
    Willkommen im Club, hatte er im Stillen gedacht.
    Es war fast dunkel. Er spürte, wie sich in seiner Brust ein bodenloser schwarzer Sumpf auftat. Noch eine halbe Stunde. Bis dann … dann wüsste er definitiv Bescheid.
    Er lehnte sich in den Sitz seines Cabrios zurück, der iPod war auf Brahms eingestellt, und schloss die Augen. Es kam ihm so vor, als wären nur fünf Minuten vergangen, aber er musste eingeschlafen sein, weil das Klopfen an der Scheibe ihn weckte. Er sah sie durch das Fenster und bekam Herzklopfen. Er öffnete die Verriegelung, und sie glitt auf den Beifahrersitz, wobei sie gleichzeitig die Tür wieder zuzog.
    »Ich hab nur zehn Minuten.« Sie sah ihn beim Sprechen nicht an und hielt den Blick auf ihren Schoß gesenkt. Ihre Haare trug sie zu einem Pferdeschwanz nach hinten gebunden, wodurch eine strenge Kinnlinie betont wurde. Sie war schrecklich dünn, obwohl sie ein viel zu großes Sweatshirt über einem langen Faltenrock einer Schuluniform anhatte.
    »Danke, dass du gekommen bist.« Keine Antwort. »Wie geht’s dir?«
    Achselzucken.
    »Wie läuft’s in der Schule?«
    »Geht so.« Noch ein Achselzucken. »Ist okay. Keine Jungs.«
    »Du magst keine Jungs?«
    »Ich hasse Jungs.«
    Gabe rieb sich die Augen hinter seiner Brille und schob seine Haare hinter die Ohren. Er hatte sie wachsen lassen, bis sie seine Schulterblätter berührten. Es war zu seinem Markenzeichen an der Schule geworden. »Ich hoffe, du hasst nicht alle Jungs. Ich hoffe, du hasst diesen Jungen hier nicht. Weil dieser Junge hier dich immer noch sehr liebt.«
    Keine Reaktion. Nicht einmal eine Träne.
    Er seufzte. »Yasmine, sieh mich wenigstens an und sag mir, dass es aus ist. Sag’s mir. Sag: ›Gabe, es ist aus.‹ Wenn es aus ist, ist es aus. Ich werde untröstlich sein, aber wenigstens kann ich dann versuchen, nach vorne zu blicken.« Eine Pause. »Alles ist besser, als in der Luft zu hängen.«
    Sie warf einen kurzen Blick auf sein Gesicht. »Du siehst aus wie ein Gespenst.«
    Er ballte die Fäuste und verschränkte dann beide Arme vor der Brust. »Vielen herzlichen Dank, Yasmine. Ich freu mich auch, dich wiederzusehen.«
    Stille. Dann flüsterte sie: »Ich weiß nicht, warum ich das gesagt hab. Es tut mir leid.«
    Er antwortete nicht.
    Sie schluckte schwer. »Ich freu mich wirklich , dich zu sehen.«
    Gabe wurde weicher. »Ich seh tatsächlich aus wie ein Gespenst.«
    »Nein, tust du nicht.«
    »Ehrlich gesagt, doch. Mein Spitzname an der Schule ist Geist. Ich bin einsfünfundachtzig groß und wiege weniger als sechzig Kilo. Mich Haut und Knochen zu nennen wäre noch ein Kompliment.«
    »Du siehst toll aus.«
    »Ich seh furchtbar aus. Aber so ist das nun mal, wenn man sechs Stunden am Tag im Übungsraum hockt, nachdem man den ganzen Tag in der Schule war. Statt kalifornischer Sonne gibt’s in New York nur Regen und Schnee. Also kriegt man eine milchige Gesichtsfarbe, Pickel auf der Stirn und Augenringe. An einem guten Tag, wohlgemerkt.«
    »Gabe, bitte . Es tut mir leid.«
    »Du musst dich nicht entschuldigen. Es stimmt. Du solltest mich mal in der Schule sehen, wie ich den Gang entlangschwebe mit meinen fettigen, hinterherwehenden Haaren, hochkonzentriert durch die Gegend glotzend … wie ein Phantom auf Droge. Ich glaube wirklich, die meisten meiner Mitstudenten erwarten von mir, dass ich am Jahresende aktiv zu halluzinieren beginne.«
    »Bitte hör auf.« Ihre Augen wurden feucht. »Es tut mir wirklich leid.«
    »Ich glaub, man hält mich für einen modernen Glenn Gould. Logischerweise bin ich noch meilenweit davon entfernt, so gut wie Glenn Gould zu sein. Aber meine Jungs in der Klavierklasse finden mich gut – ein bisschen schrullig, aber nicht ohne ein gewisses Talent, um das aufzufangen. Und eigentlich ist das gar nicht so schlecht. An der Juilliard als Talent zu gelten. Ich fühl mich dort richtig gefordert.«
    Sie warf ihm einen kurzen Blick zu, dann sah sie wieder nach unten. »Garantiert bist du immer noch der Beste.«
    »Es ist so …« Gabe verschränkte die Arme andersherum. »Dein ganzes Leben lang hat man dir erzählt, du bist ein
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