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Teufelsmond

Teufelsmond

Titel: Teufelsmond
Autoren: Ines Thorn
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eigenes Todesurteil.
    «Dort werdet Ihr gebraucht!» Der Monsignore nickte. «Aus der Grafschaft derer von Dörnberg kommen beunruhigende Nachrichten. Es heißt, ein Geheimbund hätte sich dort gegründet, der sich dem Dienst des Lazarus verschrieben hat.» Der Monsignore senkte die Stimme. «Aber unter umgekehrten Vorzeichen. Versteht Ihr mich, Pater?»
    «Kein Wort, Monsignore.»
    Der Monsignore seufzte und fing vom Abt einen Blick auf, in dem zu lesen stand:
Hab ich’s Euch nicht gesagt?
    Der Monsignore bekreuzigte sich und senkte die Stimme, als fürchte er, belauscht zu werden: «Von Nachzehrern rede ich, Pater. Von Toten, die aus den Gräbern auferstehen und Kummer und Leid über die Lebenden bringen.»
    Pater Fürchtegott straffte die Schultern. «Und was genau kann ich dabei bewirken?»
    «In Nordhessen, Ihr wisst, in den dunklen Tälern, da gehen die Nachzehrer um. Ihr müsst sie finden, Pater, die Nachzehrer selbst und die Ursache für ihr Auftreten. Ihr müsst sie exorzieren, damit sie Ruhe geben. Die Kirche muss zeigen, dass sie noch immer die Hoheit über derlei Dinge trägt. Diese Lazarusbrüder nämlich, die betreiben Exorzismus auf eigene Faust. Mit Mitteln, Pater, die so schrecklich sind, dass ich nicht über sie sprechen will. Sie verstoßen gegen das Gebot der Kirche, schlimmer noch, sie machen uns Konkurrenz. Das muss aufhören, Pater. Und Ihr werdet dafür sorgen.»
    Er bekreuzigte sich erneut. Beschwörend fuhr er fort: «Wir können die guten Menschen dort nicht ohne Beistand lassen. Ihr werdet gebraucht, Pater, sofort. Manch einer ist schon ganz verzagt.»
    Pater Fürchtegott klappte den Mund wieder zu und warf misstrauische Blicke vom Abt zum Monsignore und wieder zurück. «Es gibt Brüder, die sind für so eine Aufgabe besser geeignet als ich.»
    «Aber nein!» Der Abt schüttelte energisch den Kopf. «Ihr, lieber Bruder, seid der einzig Richtige. In einer Zeit, in der teuflische Dinge geschehen und der Aberglaube Blüten treibt, muss ein Gelehrter sich dieser Dinge annehmen. Jemand, der dem Teufelswerk mit Verstand und Spiritualität beizukommen vermag!»
    «Ihr wisst doch aber, mit meiner Menschenkenntnis ist es nicht weit her. Und von Dämonen weiß ich rein gar nichts. Nur das, was in der Heiligen Schrift steht.»
    Der Monsignore stöhnte, und der Abt faltete die Hände und schickte ein Stoßgebet zum Himmel. «Jetzt seid doch nicht so stur, Pater. Gehorchen müsst Ihr ohnehin. Den Verstand, der da unten in den grauen Wäldern dringend gebraucht wird, den habt Ihr. Und der Heilige Geist wird über Euch kommen, wenn Ihr ihn nötig habt.»
    Pater Fürchtegott seufzte und erhob sich. «Wann soll ich aufbrechen?»
    Der Abt entspannte sich. «Eile mit Weile, mein Lieber. Morgen früh, gleich nach den Laudes. In der Klosterküche wird Proviant für Euch bereitliegen. Und weil Ihr so einsichtig seid, gebe ich Euch noch einen guten Tropfen anbei.»
    «Schon morgen früh? Wir sind im Advent. Den Heiligen Abend würde ich gern noch mit meinen Brüdern feiern.»
    «Ich verstehe, mein Lieber, ich verstehe Euch nur zu gut. Doch nach dem Heiligen Abend kommen die Raunächte. Ihr wisst um ihre Bedeutung», flüsterte der Monsignore.
    «Das will ich meinen», warf der Abt ein. «Unser Pater hier, der von den Menschen nichts wissen will, hat sicher mehr über die Raunächte gelesen als Ihr und ich zusammen.»
    Pater Fürchtegott nickte. Sein Gesicht war blass geworden. «Die Raunächte, die Nächte zwischen den Zeiten.» Seine Stimme klang dunkel. «Es heißt, in den Tagen und Nächten zwischen dem Heiligen Abend und dem Tag der Heiligen Drei Könige sind die Naturgesetze außer Kraft, die Grenzen zu den anderen Welten durchlässig. Geister werden beschworen, Menschen verwandeln sich in Tiere. Tiere reden mit menschlicher Stimme. Die Orakel sprechen. Und zur Mitte der Raunächte, an Silvester, da findet die wilde Jagd statt.»
    Pater Fürchtegotts Stimme klang von Satz zu Satz düsterer. Der Abt verzog ängstlich das Gesicht und griff haltsuchend nach seinem Weinbecher. Der Monsignore drückte das Kreuz fest an die Stuhllehne, der Mönch, der seine Dienste in Bereitschaft hielt, griff nach dem Rosenkranz. Seine Lippen murmelten ein stummes Gebet.
    «Das Geisterreich öffnet zu Silvester seine Pforten, und die Seelen der Verstorbenen kommen in die Welt der Lebenden zurück, begleitet von allen Dämonen der Hölle. Menschen, die einen Pakt mit dem Teufel geschlossen haben, verwandeln sich in Werwölfe,
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