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Teufelskuss und Engelszunge - Jones, E: Teufelskuss und Engelszunge

Teufelskuss und Engelszunge - Jones, E: Teufelskuss und Engelszunge

Titel: Teufelskuss und Engelszunge - Jones, E: Teufelskuss und Engelszunge
Autoren: Emilia Jones
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nicht schlau. Bedeutete das etwa, dass er sich nicht weiter für sie und ihre verlorene Seele interessierte?
    »Aha!«, gab er nach einer schier endlosen Pause von sich. »Paragraph 144, Absatz 5, Nummer 7 b des Seelenaufseher-Handbuches: Eine Seele ist nicht in der Lage, sich eigenständig von einem abgestorbenen Körper zu trennen. Sie verweilt so lange an ihrem Aufenthaltsort, bis ihr von einer fremden Macht Hilfe zuteil wird.«
    Marafellas Augen weiteten sich.
    »Demnach können Seelen nicht einfach so verschwinden.« Rufus klappte das Buch wieder zu und setzte eine Miene auf, als wäre damit alles erklärt. »Hast du das verstanden, kleines Engelchen?«
    Marafella schwieg.
    »Eine Seele bleibt so lange in der Nähe des Körpers, bis sie von einem von uns eingesammelt wird«, setzte er hinzu.
    »Ja, natürlich«, sagte Marafella und seufzte. »Deshalb muss auch jemand anderes vor mir dort gewesen sein.«
    »Ein anderer Engel?« Rufus lachte auf. »Stellst du etwa unser System in Frage? Glaubst du wirklich, wir wären so unfähig und würden einen zweiten Engel für den gleichen Auftrag einteilen? Undenkbar!«
    Marafella sank in sich zusammen. Sie kauerte auf dem Wolkenboden, der ihr plötzlich unwirklich und hart vorkam. Die Beine mit den Armen umschlungen wippte sie vor und zurück, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen.
    »Engelchen, ich hoffe du weißt, wie lächerlich dein Gebaren ist.« Rufus faltete die Hände vor seinem enormen Bauch und gähnte. Offenbar wollte er damit zum Ausdruck bringen, wie sehr ihn die ganze Situation langweilte.
    Endlich schaffte es Marafella sich aufzurappeln. Sie stützte sich mit den Händen vom Boden ab, brachte sich zurück auf die Füße und streifte letztlich das zarte weiße Gewand glatt, um einen halbwegs ordentlichen Eindruck abzugeben.
    So weit so gut, sagte sie sich. Dennoch hatte sie nicht die geringste Ahnung, wie sie sich aus dieser Situation heraus winden sollte, geschweige denn, was mit ihr passieren würde.
    »Ähm, Rufus?«, fragte sie vorsichtig nach.
    »Ja, Engelchen?«
    »Was machen wir denn nun?«
    »Hm«, machte er, »ich verstehe nicht, warum du von dir in der Mehrzahl sprichst.«
    Irrte sie sich oder lag in seiner Miene tatsächlich so etwas wie ein überhaupt nicht engelhafter Spott?
    »Du erinnerst dich sicher an Paragraph 1 der Seelensammler-Vorschriften: Jeder Engel ist für die ihm zugeteilten Seelen selbst verantwortlich.« Er nickte, als wollte er sich in seiner Rede selbst bestätigen. »Du solltest dich also lieber schnell auf die Suche machen, ehe eine dir zugeteilte Seele dem Falschen in die Hände fällt.«

    Mit gesenktem Kopf verließ Marafella das Büro des Seelenaufsehers. Sie hatte keinen Schimmer, was sie jetzt tun sollte. Nie zuvor war ihr eine Seele abhanden gekommen, und sie hatte auch noch nie von einem Engel gehört, der in einer ähnlichen Situation gesteckt hatte.
    Eine Weile schritt sie ziellos durch die Himmelslandschaft, bis ihr klar wurde, dass es wohlmöglich nur einen gab, der ihr helfen konnte: Elarius, der Seher. Er verfügte über die Fähigkeit, den Gang der Seelen zu verfolgen und war obendrein in der Lage, vom Himmel aus auf die Erde zu sehen und manchmal sogar bis tief in den Höllenschlund hinab.
    Leider gab es niemanden, der ein besonders gutes Verhältnis zu Elarius pflegte. Der Engel hauste abgeschieden im Garten Eden in einer kleinen Hütte und tat, was auch immer ein Einsiedler-Engel so tat. Er verabscheute Besuch und jede Art von Störung, so viel wusste Marafella über ihn. Zum ersten Mal dachte sie darüber nach, wie eigenartig es war, dass jemand wie er überhaupt im Himmel existierte.
    »Es überrascht dich vielleicht, aber meine Anwesenheit begründet sich allein in der Tatsache, dass der Fall eines Falles eintreffen könnte.« Marafella hatte noch nicht einmal die Hand zum Klopfen erhoben, da war die Tür zu Elarius` Hütte bereits aufgesprungen und der Engel grinste ihr mit einer überraschenden Höflichkeit entgegen.
    »Aha«, entgegnete sie wenig geistreich. Allerdings war sie überzeugt, dass sich ihr Verhalten ganz leicht mit den unvorhersehbaren und obendrein absolut unkontrollierbaren Ereignissen erklären ließe. Immerhin hatte sie ihr bisheriges Dasein mit dem Einsammeln von Seelen gefristet. Daneben tat sie nichts weiter als Schlafen und Harfe spielen. Es gab zwar einige Engel, die sich im Chorsingen übten, aber Marafella gehörte nicht zu denen, die ihrer Stimme eine endlose Leier
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