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Teufelskuss und Engelszunge - Jones, E: Teufelskuss und Engelszunge

Teufelskuss und Engelszunge - Jones, E: Teufelskuss und Engelszunge

Titel: Teufelskuss und Engelszunge - Jones, E: Teufelskuss und Engelszunge
Autoren: Emilia Jones
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stand er direkt vor dem Seelenfänger. Seine schlanke, hoch gewachsene Gestalt steckte in einem Anzug, der ebenso tiefschwarz war wie sein kurzes Haar. Einige Strähnen fielen in die Stirn seines fein geschnittenen Gesichts und verliehen ihm einen verwegenen Ausdruck.
    »Meister«, heuchelte Wengodian, »ich bringe Euch ein Geschenk.« Er bückte sich, um die Flasche mit der Seele auf eines der Granitquadrate abzustellen. Durch das Glas war deutlich ein Pulsieren zu erkennen. Als erwache ein Herz im Inneren des Flaschenbauches und schlüge um sein Leben.
    »Was um alle verfluchten Höllen ist das?!« Mit jedem Wort war Beelzebubs Stimme angeschwollen. Die Spiegel am Boden trübten sich dunkel und von dem bösen Geist am obersten Punkt der Decke regneten rot glühende Funken herunter.
    Wengodian zog die Schultern zusammen. Er konnte die Reaktion seines Meisters nicht einordnen. Sollte sich Beelzebub nicht darüber freuen, von einem seiner treuesten Diener eine zusätzliche Seele praktisch auf dem Silbertablett serviert zu bekommen?
    Unfähig, eine Antwort zu formulieren, stierte der Seelenfänger auf die Flasche.
    »Eine zusätzliche Seele?«, las Beelzebub seine Gedanken. »Etwa gestohlen? – Woher?«
    »D… d… der …«, stotterte Wengodian. Er konnte sich einfach nicht zusammen reißen. »Der Mann … d… der lag da. Vor meinen Füßen. Hatte einen Herzinfarkt. Hab mir seine Seele ein… einfach genommen. Das ist es doch, was ich tun soll. Seelen einfangen.«
    »Aber doch nicht irgendwelche Seelen!« Blitzschnell schnappte sich Beelzebub die Flasche, öffnete den Verschluss und lauschte hinein. Ein unterdrücktes Schluchzen, ein Heulen und Seufzen rumorten darin. Eine verlorene Seele. Sie wusste nicht, wohin sie gehörte, denn Wengodian hatte sie ihrer Bestimmung entrissen.
    »Du hast sie tatsächlich gestohlen!« Wut funkelte in Beelzebubs Augen. Schatten fielen auf die grauen Felsen um sie herum.
    Wengodian machte einen Schritt zurück. Skurriler Weise fürchtete er in diesem Moment den Zorn seines Meisters, obwohl er sich keineswegs schuldig fühlte.
    »Ja«, gab er endlich zu. »Ich habe einen Engel bestohlen. Eine dieser grässlichen Gestalten – viel zu weiß und viel zu strahlend. Und erst dieser Geruch von Lavendel, den sie überall verbreiten. Widerlich!« Er verzog sein ohnehin grauenhaftes Gesicht zu einer übertriebenen Fratze.
    Beelzebub verschloss die Flasche und stellte sie wieder auf dem Boden ab.
    »Das war nicht gut.«
    »Nicht gut?«
    »Nein. Das war erstaunlich dämlich von dir.«
    Wengodian beobachtete, wie die Miene seines Meisters einen unbekannten Ausdruck annahm.

2.
    »Was soll das heißen?!« Die kraftvolle Stimme von Rufus erfasste Marafella wie eine Sturmböe. Sie schwankte und zitterte, ging in die Knie und mühte sich um Halt. Doch die flauschigweichen Wände des Seelenaufseher-Büros waren viel zu durchlässig. Marafellas zarte Hände rutschten durch die Schichten, so dass sie schließlich stolperte und direkt vor Rufus zu Boden stürzte.
    Der Blick von dieser Position hinauf schüchterte sie nur noch mehr ein. Rufus war von eindrucksvoller, großer Gestalt. Er war viel kräftiger und fülliger als jeder andere Engel, den sie kannte. Sein rundes Gesicht wirkte erhitzt. Obendrein fletschte er die Zähne wie ein tollwütiger Hund.
    »Seine Seele ist fort?!« Wie saurer Regen prasselten seine Worte auf ihren Kopf. Seine Augenbrauen waren hochgezogen, der Blick strafte sie in abfälliger Weise. Er ließ keinen Zweifel daran, wie sehr er ihr Versagen missbilligte.
    »Es tut mir leid«, wisperte Marafella kaum hörbar. »Sie war verschwunden. Ich konnte ihre Spur nirgends aufnehmen.«
    »Verschwunden«, wiederholte Rufus. Er schüttelte den Kopf. Dann drehte er Marafella den Rücken zu und ging hinter seinen Schreibtisch, um in seinem riesigen, wattierten Stuhl zu versinken.
    Rufus war weder schlank noch klein. Das enorme Ausmaß seines Stuhles ließ ihn jedoch geradezu winzig wirken.
    Eine der Wolkenschubladen seines Tisches öffnete sich. Heraus schwebte ein silbernes Buch, das sich noch in der Luft selbst aufschlug, ehe es sich vor Rufus auf der Glasplatte ablegte. Der Seelenaufseher streckte seinen rechten kleinen Finger aus und ließ ihn über das Geschriebene gleiten.
    Marafella hatte sich in der Zwischenzeit aufgesetzt. Sie sah nun, in ehrfürchtig-ängstlicher Weise, zu Rufus auf, versuchte zu erkennen, was er dort tat. Allerdings wurde sie aus seinem stetigen Kopfschütteln
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