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Teufelsfrucht

Teufelsfrucht

Titel: Teufelsfrucht
Autoren: Tom Hillenbrand
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Jackentasche eine bereits gestopfte Pfeife und hielt ein Streichholz an den Kopf. Er setzte sich auf einen der Barhocker und schmauchte bedächtig. Nach einigen Zügen legte Manderscheid die Pfeife weg, faltete betont langsam seine Hände und sah den Koch prüfend an. »Sie wissen also nicht, wer der Mann ist und für wen er arbeitet? Gearbeitet hat?«
    Kieffer beschloss, lieber gleich mit seinem Verdacht herauszurücken – es hatte wenig Sinn, den Ahnungslosen zu spielen. »Nein. Aber eine Vermutung habe ich.«
    »Alors?«
    »Wir vermuteten, dass er ein Restauranttester ist. War.«
    »Warum?«
    Kieffer erzählte Manderscheid von dem Nummernschild.
    »Sie haben ein gutes Näschen, Haer Kieffer. Nach Angaben unserer Kollegen in Paris heißt der Tote Agathon Ricard, ist 42 Jahre alt und arbeitet für den Guide Gabin, der Ihnen sicherlich ein Begriff ist.«
    »Natürlich.«
    Der Gabin war nicht irgendein Restaurantführer. Das blaue Buch galt unter Gourmets als Bibel der guten Küche. Die Zentrale des Gabin befand sich in Paris, selbstverständlich, und von dort aus schickte der Guide seine Tester in alle Welt, um die besten Restaurants, die raffiniertesten Zubereitungen und die brillantesten Köche ausfindig zu machen. Für gewöhnliche Restaurants war im Gabin kein Platz, auch für gute nicht – die Tester des Gourmet-Imperiums, allesamt Besseresser mit geschulten Gaumen, interessierten sich nur für Top-Küche. Einmal im Jahr veröffentlichte der Gabin eine aktualisierte Ausgabe, und die gesamte Branche fieberte dem Erscheinungstermin entgegen. Wer einen, zwei oder gar drei Sterne verliehen bekam, musste sich um Reservierungen fortan keine Sorgen mehr machen. Wer von den Gourmetpriestern des Gabin hingegen exkommuniziert wurde, verlor nicht nur sein Gesicht, sondern auch den Großteil seines Umsatzes.
    »Ein Gabin-Tester ist hoher Besuch für ein …«, Manderscheid deutete mit der Hand auf den leeren Schankraum und machte eine Kunstpause, »… kleines Restaurant wie dieses, nicht wahr?«
    Kieffer zuckte mit den Achseln und deutete auf ein Foto an der Wand, das ihn zusammen mit zwei Mitgliedern der Luxemburger Herrscherfamilie zeigte. »Vergangenes Jahr waren Erbgroßherzog Guillaume und sein Bruder hier. Das würde ich als hohen Besuch bezeichnen.«
    Manderscheid schien die flapsige Antwort nicht zu gefallen. »Herr Kieffer, in Ihrem Restaurant ist ein Mensch gestorben. Und der Polizeiarzt bezweifelt, prima facie, dass ihn aus heiterem Himmel der Schlag getroffen hat.«
    »Sie meinen, er wurde ermordet?«
    Manderscheid senkte seine Stimme wieder etwas. »Ich meine gar nichts. Die Obduktion steht noch aus. Aber wohlgenährte Männer um die vierzig wie Ricard fallen relativ selten mausetot um, wenn man nicht ein wenig nachhilft. Dass ein Gastrokritiker des berühmtesten Gourmetführers der Welt nach einem Dinner in Ihrem Restaurant zusammenbricht, sieht nicht gut für Sie aus.«
    »Soll das etwa heißen, Sie verdächtigen mich?«
    Manderscheid zuckte mit den Achseln. »Mir mussen Iech verdächtegen. C’est la routine.«
    Kieffer schnaubte. »Das ist doch lächerlich. Warum sollte ich einen Tester vergiften?«
    »Weil er eine vernichtende Kritik über Ihr Restaurant zu verfassen gedachte?«, schlug Manderscheid vor.
    »Deshalb soll ich ihn ermordet haben? Der Gedanke ist absurd – außerdem hat er seinen Vorspeisenteller leer gegessen und die ganze Soße aufgetunkt. Es scheint ihm also geschmeckt zu haben, prima facie, wie Sie wohl sagen würden. Also sah es nicht so übel für uns aus, oder? Als Nächstes hätte ich ihm den Hauptgang serviert, Huesenziwwi, eine unserer Spezialitäten. Der beste Hasenpfeffer, den Sie in der ganzen Stadt bekommen können. Warum sollte ich den Mann vergiften, bevor er den probiert hat? Außerdem ist ein Laden wie unserer gar nicht auf dem Radar von … wie war sein Name?«
    »Agathon Ricard.«
    »Genau. Wir passen gar nicht in Ricards Beuteschema.«
    »Wie meinen Sie das?«
    Kieffer griff unter den Tresen und holte die in kobaltblaues Leder gebundene Benelux-Ausgabe des Guide Gabin hervor. Er schlug den Luxemburg-Teil auf und schob das Buch zu Manderscheid hinüber. »Schauen Sie. Der Gabin testet weltweit Tausende Restaurants pro Jahr. Es gibt etwa 1500, die mit Sternen ausgezeichnet werden, davon derzeit 13 in Luxemburg, hier: Das ›Corioli‹ hat zwei Sterne, ›L’Université‹ drei.«
    »Was hat das mit dem toten Tester zu tun?«
    »Verstehen Sie nicht? ›Deux Eglises‹
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