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Teufelsfrucht

Teufelsfrucht

Titel: Teufelsfrucht
Autoren: Tom Hillenbrand
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ist im Sterneverzeichnis des Guide überhaupt nicht aufgeführt. Das war es noch nie und wird es auch nie sein, egal wie gut unser Hasenpfeffer schmeckt. Diese Tester haben einen sehr vollen Terminkalender. Sie müssen täglich Gaststätten besuchen. Die schon mit Sternen ausgezeichneten Betriebe werden sogar mehrmals im Jahr kontrolliert. Diese Leute haben keine Zeit, einfach mal so in einem gutbürgerlichen Restaurant essen zu gehen.«
    Manderscheid legte einen Finger über seine Oberlippe. »Sie wollen mir also sagen, so jemand kommt nicht zufällig in Ihrem abseitig gelegenen Gasthof vorbei, sondern nur auf Weisung oder Empfehlung?«
    Kieffer fühlte, wie ihm mulmig wurde. Manderscheid traf den Nagel auf den Kopf. Auswärts zu speisen war für Gastrokritiker stets eine Pflichtveranstaltung; sie gingen nur selten zum Spaß in Restaurants. Ebenso wie Profiköche waren sie froh, an ihren freien Tagen in ihrer eigenen Küche ein schnödes Käsebrot essen zu können. Jemand musste Ricard zum Besuch des »Eglises« geraten haben. Aber wer?
    »Das … liegt nahe«, antwortete er zögernd, »aber ich wüsste nicht, wer mich empfohlen haben sollte.«
    In diesem Moment trat einer der Forensiker an Manderscheid heran und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Dann drückte er dem Kommissar eine kleine Tüte in die Hand, die dieser unter der Theke verschwinden ließ.
    »Monsieur Kieffer, ich hoffe, Sie verstehen, dass ich Sie bitten muss, Luxemburg nicht zu verlassen.«
    »Ich muss aber regelmäßig nach Frankreich und Belgien, wegen der Einkäufe.«
    »Ich befürchte, wir werden Ihre Küche auseinandernehmen und alle Ihre Lagerbestände überprüfen müssen. Solange die Spurensicherung damit beschäftigt ist, müssen Sie ohnehin schließen.«
    »Wie lange wird das dauern?«
    »Mindestens drei Tage, vielleicht auch länger. Und bitte kommen Sie morgen Nachmittag aufs Präsidium.« Manderscheid strich seinen Notizblock glatt und erhob sich.
    »Eine Sache noch, Monsieur Kieffer. Hätten Sie freundlicherweise eine Karte des ›Zwou Kierchen‹ für mich?«
    »Sicher«, sagte der Koch und griff in eine Schublade, um dem Kommissar eine seiner auf marmoriertem braunen Büttenpapier gedruckten Visitenkarten auszuhändigen.
    »Haben Sie Ricard auch so eine gegeben?«
    »Nein, die gibt es standardmäßig erst mit der Rechnung.«
    »Interessant«, sagte Manderscheid und hielt Kieffer den kleinen Plastikbeutel unter die Nase, den ihm der Forensiker gegeben hatte. Er enthielt eine etwas verbogene Visitenkarte des »Deux Eglises«. »Somit stellt sich allerdings die Frage, wieso die hier in seinem Auto lag.« Dann steckte der Kommissar seine Pfeife in den Mund, drehte sich um und ging auf die Tür zu. »Äddi, Haer Kieffer.«

[Menü]
    4
    Kieffer griff nach Pekka Vatanens gläsernem Schwenker und schenkte ihm Eau de Vie nach. Dann goss er sich selbst zwei Fingerbreit des Birnenbrands ein. »Ich weiß nicht recht, was ich jetzt tun soll, Pekka.«
    »Du kannst erst mal gar nichts machen. Die Polizei ist am Zug.« Der Finne blinzelte in die Abendsonne. »Ein feiner Tropfen. Trink aus, das beruhigt.«
    Kieffer musterte seinen Freund. Vatanen war Mitte vierzig und hatte semmelblondes, schütteres Haar. Obwohl das Wetter seit mehreren Wochen wunderbar spätsommerlich war und die Sonne fast den ganzen Tag schien, hatte der Finne sich eine beinahe leichenartige Büroblässe bewahrt. Nur Wangen und Nase waren etwas gerötet. Kein Sonnenbrand, sondern die geplatzten Äderchen eines Kampftrinkers, dachte Kieffer. Das Obstlerglas des Finnen war schon wieder fast leer.
    Kieffer selbst schwirrte nach dem dritten Schnaps bereits ein wenig der Kopf, und er war dankbar für die kühle Brise, die vom Fluss herüberzog. Kieffers Haus in der Tilleschgass war wunderbar gelegen – oder, wie Vatanen es auszudrücken pflegte, eine »bodenlose Frechheit«.
    Das gedrungene Steinhäuschen mit der Nummer 27a war über 300 Jahre alt und lag eingeklemmt zwischen der kleinen, mit Kopfsteinpflaster ausgelegten Gasse im Herzen des Unterstadtviertels Grund und dem Fluss Alzette, der hinter dem Gebäude entlangfloss.
    Von der Tilleschgass aus konnte man zwischen den dicht aneinandergedrängten Gebäuden nicht hindurchgucken, und auf der anderen Seite des Flusses gab es keine ans Ufer angrenzende Straße. Die Hinterseite des Gebäudes war deshalb vor den neugierigen Blicken der zahllosen Touristen geschützt, die täglich mit Kameras bewaffnet durch den mittelalterlichen Stadtteil
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