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Teufelsfrucht

Teufelsfrucht

Titel: Teufelsfrucht
Autoren: Tom Hillenbrand
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stapften.
    Der Garten hinter Kieffers Häuschen war eine stille Oase, in der er und Vatanen gerne stundenlang saßen, vesperten, zechten und dem Rauschen der Alzette lauschten. Das Haus hatte Kieffer von seinem Vater geerbt, er selbst hätte sich eine Immobilie in Flusslage niemals leisten können. Es befand sich schon seit Generationen im Besitz der Familie.
    Kieffer stellte sein Schnapsglas kopfüber auf den Tisch, zum Zeichen, dass er erst einmal genug hatte. Vatanens Blick hingegen war noch glasklar, wie üblich. Kieffer war immer wieder erstaunt, welch unfassbare Mengen an Alkohol der hagere Mann in sich hineinschütten konnte. Der Obstler des Finnen war inzwischen verschwunden. »Schenk uns nach, mein Freund.«
    »Erst, wenn ich etwas zu beißen habe«, erwiderte Kieffer. »Sonst haut es mich um.« Er erhob sich von der Gartenbank, die zwischen zwei struppigen Büschen an der von der Abendsonne warmen Wand seines kleinen Häuschens stand und ging durch die Gartentür in die Küche.
    Rasch stellte er dort einige Happen zusammen – französische Oliven, einige saucisses, ein Baguette und ein Glas confit de moulard. Kieffer packte alles mit einem Stück Räucheraal und einigen frisch gepflückten Tomaten aus dem Garten auf ein Tablett und ging zurück zu Vatanen.
    »Kippis!«, rief der Finne, was so viel wie prost bedeutete. Dann stürzte er einen weiteren Obstler hinunter. »Ahh, sehr gut. Diese Leckereien verschaffen uns eine gute Basis für den Rest der Flasche.« Vatanen ließ ein Stück Fisch in seinem Mund verschwinden, während er sich und Kieffer mit der anderen Hand nachgoss. »Und nun erzähl.«
    »Das meiste weißt du schon. Hast du den Artikel im ›Wort‹ gesehen?«
    »Gesehen ja, aber nicht gelesen, er ist auf Deutsch. Sag mir, was drinsteht.«
    Kieffer griff nach der aktuellen Ausgabe des »Luxemburger Worts«, die unter der Bank lag. Ausländer waren über die führende Zeitung des kleinen Landes mitunter verwundert, weil sie Artikel in unterschiedlichen Sprachen enthielt. Einige waren auf Französisch verfasst, andere auf Hochdeutsch und im Lokalteil verwendete das »Wort« mitunter Lëtzebuergesch, den moselfränkischen Dialekt der Einheimischen. Dieses bunte Sprachgewirr wirkte auf Auswärtige verwirrend, weil man beim Lesen ständig zwischen drei verschiedenen Sprachen hin und her wechseln musste; für Luxemburger war das ganz normal.
    »Wieso lernst du nicht langsam mal Deutsch, Pekka? Du bist jetzt seit acht Jahren hier. Die Sprache könnte vielleicht ganz nützlich sein. Wenn du Deutsch sprächest, müsste ich außerdem deinen entsetzlichen französischen Akzent nicht mehr ertragen.«
    »Keine Lust«, sagte Vatanen, während er mit konzentrierter Miene Confitbrocken auf ein Stück Baguette transferierte. »Ihr Luxemburger sprecht doch alle Französisch, das reicht mir. Ich habe bereits dieses Genäsel gelernt und außerdem Schwedisch, Russisch und Englisch. Ich finde, das reicht fürs Leben.«
    »Als Beamter der Europäischen Union könntest du etwas mehr Interesse für die Sprache eures größten Mitgliedstaats aufbringen.«
    »Als EU -Beamter auf Lebenszeit können mir die Mitgliedstaaten mal ganz gepflegt munin aasi sudelma, allen voran die miesepetrigen Deutschen und die aufgeblasenen Franzosen. Santé!«
    »Prost! Also gut, ich übersetze es dir.« Kieffer begann, seinem Freund den Artikel auf Französisch vorzulesen.
    Mysteriöser Todesfall am Kirchberg: Gabin-Kritiker stirbt bei Restaurantbesuch.
    Luxemburg-Stadt – In der Waldgaststätte ›Les Deux Eglises‹ ist am Dienstagabend ein Gastrokritiker unter mysteriösen Umständen zu Tode gekommen. Wie die Police Judiciaire am Mittwoch mitteilte, brach Agathon R., ein Tester des renommierten französischen Guide Gabin, während seines Besuchs in dem Spezialitätenlokal zusammen und war sofort tot.
    ›Wir ermitteln in alle Richtungen‹, sagte Hauptkommissar Didier Manderscheid dieser Zeitung. Es sei nicht auszuschließen, dass es sich um ein Gewaltverbrechen handele.
    Das ›Deux Eglises‹ am Kirchberg besitzt keinen der heiß begehrten Gabin-Sterne, genießt aber bei Kennern wegen seiner authentischen Luxemburger Küche einen guten Ruf. Restaurantchef Xavier Kieffer erklärte auf Anfrage, der Tod des Kritikers gebe auch ihm Rätsel auf: ›Wir sollten die Ermittlungen abwarten.‹ Das Restaurant bleibe bis auf Weiteres geschlossen, so Kieffer weiter.
    Nach Angaben aus gut informierten Kreisen ermittelt die Polizei mit Hochdruck,
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