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Teufelsfrucht

Teufelsfrucht

Titel: Teufelsfrucht
Autoren: Tom Hillenbrand
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Bestellung ergab sich folgendes Menü:

    Grüner Salat
    Bouneschlupp
    Rieslingpaschtéit
    Civet de lièvre, façon luxembourgeoise
    Quetscheflued mat Vanilleglace

    »Er möchte eine Bohnensuppe, dann die Pastete, danach Hasenpfeffer und zum Dessert Zwetschgenkuchen.«
    »Er ist ein Tester, ich sag’s dir.«
    »Oder er hat einfach Hunger und kennt unsere Portionen nicht.«
    Kieffer ließ Claudine mit ihren Juliennes alleine und stieg die steile Steintreppe in den Schankraum hinunter. Inzwischen waren noch drei weitere Gäste eingetroffen, ansonsten war das Lokal leer. Er griff nach einer Weinkarte und hielt sie seinem Kellner Jacques fragend hin. Der schüttelte den Kopf.
    Kieffer klemmte sich die Karte unter den Arm und ging auf den Tisch des mutmaßlichen Gastrokritikers zu. Der Mann, der an einem Ecktisch auf einer Holzbank saß, hatte zurückgegeltes schwarzes Haar und blickte Kieffer durch eine etwas altmodische braune Hornbrille an. Er mochte um die 40 sein und trug ein blaues Button-Down-Hemd, ein schokoladenfarbenes Cord-Jackett sowie eine englische Regimentskrawatte. Ein Franzose, dachte Kieffer, der den englischen Landadeligen mimt? Das kann ja heiter werden.
    Weil er sich angesichts dieser Erscheinung ein Grinsen ohnehin nicht verkneifen konnte, setzte Kieffer lieber gleich sein breitestes Chefkoch-Lächeln auf. »Bonsoir, Monsieur. Möchten Sie einen Blick in unsere Weinkarte werfen?«
    »Ja, gerne«, sagte der Franzose – in einem Tonfall, der das Gegenteil von Interesse verriet. Er nahm die geöffnete Karte entgegen, schaute gelangweilt auf die aufgeschlagene Seite, um sie dann umgehend zuzuklappen. Er musterte Kieffer. »Was würden Sie denn empfehlen?«
    »Zu Ihrer Haupt- und Vorspeise würde ein Mosel-Riesling passen, sagen wir, ein Wormeldanger Stiercherg. Zu dem Hasenpfeffer vielleicht ein roter …«
    »Was für Spätburgunder haben Sie denn?«, unterbrach ihn der Franzose, der nun, ohne Kieffer eines weiteren Blickes zu würdigen, wieder in der Weinkarte zu blättern begonnen hatte.
    »Ich hätte einen Schengener Markusberg.«
    »Akzeptabel.«
    »Und zum Dessert dann vielleicht eine Mirabelle, Monsieur?«
    »Aus welcher Brennerei?«
    »Tasselbach, bei Septfontaines, 5000 Flaschen im Jahr, schwer zu bekommen. Meiner Ansicht nach der Beste.«
    »Hmmm. Na gut, bringen Sie ihn mal.«
    Na gut. Kieffer merkte, wie es in ihm zu brodeln begann. Er besaß ein dickes Fell, und es war nicht einfach, ihn zu beleidigen – außer bei zwei Punkten. Das Erste,was er nicht ausstehen konnte, war ein rüder, herablassender Tonfall. Das Zweite, was ihn auf die Palme brachte, waren Zweifel an der Qualität der von ihm verwendeten Produkte. Er mochte vielleicht nur ein kleines Restaurant betreiben, und seine Speisekarte bestand aus relativ schlichten Klassikern. Aber wenn es etwas gab, worauf er stolz war, dann war es die Auswahl seiner Zutaten.
    Kieffer investierte viel Zeit und Energie in entsprechende Recherchen. Dazu gehörten ausgedehnte Streifzüge durch Feinschmeckerregionen wie das Lyonnais oder das Luxemburger Moseltal. Er hatte in seinem Leben sicherlich an die 80 verschiedene Mirabellenschnäpse probiert, und Tasselbacher war der beste. Der Mann vor ihm hatte schlichtweg keine Ahnung. Kieffer atmete tief durch und sagte: »Mit Vergnügen, Monsieur, vielen Dank.«
    Verärgert ging er zurück in seine Küche, um nach dem Hasenpfeffer zu schauen. Falls der Franzose tatsächlich ein Restauranttester sein sollte, dann galt es, ihm ein ordentliches Menü vorzusetzen, auch wenn er ein Gimpel war und ein Unsympath obendrein. Vermutlich traf das ohnehin auf die meisten Tester zu. Kieffer öffnete den Ofen und warf einen Blick auf die casserole, in der die marinierten Hasenstücke zusammen mit Räucherspeck, Perlzwiebeln und Rotwein vor sich hin köchelten. Eigentlich musste er sich wegen des Gastrokritikers keine Sorgen machen. Seine Stammkunden kamen schließlich nicht wegen eines Eintrags im Guide Gabin, und sie würden auch in Zukunft kommen. Aber verärgern wollte er den Kritiker, wenn er schon einmal hier war, deshalb natürlich auch nicht. Da ging es ihm einfach um seine Ehre als Koch.
    Selbst wenn der Tester von seinem Huesenziwwi angetan sein sollte, würde das kaum Folgen für das »Eglises« haben. Kieffer war sich völlig im Klaren darüber, dass sein kleines Restaurant es niemals in den Gabin oder den Levoir-Brillet schaffen würde. Er hatte seine Lehre im »Renard Noir« in der Champagne absolviert,
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