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Teufel - Thriller

Teufel - Thriller

Titel: Teufel - Thriller
Autoren: Gerd Schilddorfer David Weiss
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verschlungenen Figuren, die, aus Silber gegossen, einen ewigen Reigen tanzten und über das Geheimnis des Stocks wachten.
    Jauerling erinnerte sich mit Wehmut an diesen düsteren Tag, an dem der einstmals hoffnungsvolle, junge Kaiser und seine Reformen zu Grabe getragen worden waren. Der Zwerg, ganz in Schwarz, war von einem Unbekannten flankiert worden, einem Mann, den es eigentlich nicht geben durfte.
    Aber das war eine andere Geschichte.
    Dann, noch am Tag des Begräbnisses, war Jauerling untergetaucht, verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt. Er hatte inkognito eine Kutsche gemietet und davon profitiert, dass er in der Öffentlichkeit völlig unbekannt war. Jeder im Reich fürchtete das Schwarze Bureau und seine Agenten, und Jauerling, der Krüppel, der es zu etwas gebracht hatte, stand an dessen Spitze. Er und nur er war dem Kaiser persönlich Rechenschaft schuldig. Sein Name wurde hinter vorgehaltener Hand geflüstert, mit angstvoll aufgerissenen Augen. Alle hofften, dass sie ihm und seinen Leuten nie begegnen würden. Aber sie kannten keine Gesichter, konnten nicht mit dem Finger auf Personen aus Fleisch und Blut zeigen, nur auf geisterhafte Schatten, die sich in der Dunkelheit auflösten wie Nebelschwaden.
    Das Schwarze Bureau hinterließ keine Spuren und erst recht keine Zeugen.
    So war Jauerling überstürzt, aber nicht unvorbereitet aufgebrochen. Er hatte sich westwärts gewandt, war durch das Fürsterzbistum Salzburg und die Grafschaft Tirol gereist, dann über den Brenner nach Verona und schließlich nach Turin, in die Hauptstadt des Herzogtums Savoyen. Die Pferde wurden auf der Reise nicht geschont, mussten oft gewechselt werden, der Fahrgast hatte es eilig gehabt, sehr eilig sogar.
    Und nun? Nun saß der kleine große Mann in Turin, im Gasthaus zu den drei Hühnern, und zweifelte. War er am Ende seiner Reise angelangt oder erst an ihrem Anfang?
    Er hatte all die Strapazen auf sich genommen, nur um gegen horrende Summen von Bestechungsgeld einen Fetzen uraltes Leinen zu betrachten. Ein Stück Stoff, auf dem schemenhaft die Umrisse eines bärtigen, nackten Mann zu erkennen waren. War dieser Schatten eines geschundenen Körpers wirklich, wie es der heilige Karl Borromeo behauptet hatte, das wahre Grabtuch mit dem Abbild von Jesus Christus? Eingebrannt im Moment seiner Auferstehung?
    Das Haus Savoyen glaubte es.
    Jauerling glaubte es nicht.
    Zwar hatte auch er sich dem Zauber, der von dieser besonderen Reliquie ausging, nicht gänzlich entziehen können. Aber weder das Bild auf dem Leinen noch das Brimborium, das die Beamten und Priester im Palast gegen klingende Münze darum gemacht hatten, hatten ihn überzeugen können. Jauerling erinnerte sich, dass es in der Region schon zu viele Grabtücher gegeben hatte. Alle, jedes einzelne, hatten sich bei näherer Betrachtung als Fälschung, als plumpe Pinseleien entpuppt. Warum sollte es gerade bei diesem anders sein?
    Er nahm einen tiefen Zug aus dem geschliffenen Glas mit dem schweren sizilianischen Rotwein, den ihm der Wirt so ans Herz gelegt hatte, bevor er mit glänzenden Augen den Mariatheresientaler eingesackt und sich mit zahllosen Verbeugungen rückwärts aus der Stube gedienert hatte. Vor Jauerling lagen mehrere Blätter über den Tisch verteilt, einige eng beschrieben, die meisten aber noch leer. Er hatte die Zeit genutzt, während der holprigen Fahrt nachgedacht, sein messerscharfer Verstand hatte die Ergebnisse der monatelangen Recherchen analysiert, hin und her gewendet, verknüpft. Das Ergebnis jagte ihm eine unsägliche Angst ein, vor allem, seit er begonnen hatte, das Unaussprechliche aufzuschreiben. Nur der Kaiser war unbeeindruckt geblieben und hatte begonnen, Klöster aufzulösen und Kirchen zu schleifen, hatte es sogar gewagt, den Papst zu brüskieren. Doch dann wurde er krank, siechte bis zum Tod, und alles ging wieder verloren …
    Der Leiter des Schwarzen Bureaus fuhr sich mit der Hand über die schweißnasse Stirn. Irgendetwas in ihm war gestorben auf dieser Reise. Wo einmal sein Glauben gewohnt hatte, war jetzt ein gähnendes Loch. An Gott zu glauben, an den einen, der diese Welt geschaffen hatte, das war für ihn niemals ein Problem gewesen und war es auch heute in Turin nicht. Das hatte er schon mit der Muttermilch aufgesogen, bei der Amme, die sich seiner erbarmt hatte. Er, die Missgeburt, hätte in diesem zugigen österreichischen Waisenhaus ohne viel Aufsehen krepieren sollen. Aber sie hatte es nicht zugelassen, hatte diesen
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