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Terror von Rechts

Terror von Rechts

Titel: Terror von Rechts
Autoren: Patrick Gensing
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gesellschaftliche Prävention durch eine gerechtere Verteilung des unermesslichen Wohlstands in Deutschland. Eine intakte Gesellschaft ist unbezahlbar. Auch Investitionen in Bildung sind langfristig günstiger als die Polizei hochzurüsten und Gefängnisse zu bauen.
    Zu einem effektiven Vorgehen gegen Rechtsextremismus gehört zudem eine genaue Beobachtung und Analyse von menschenfeindlichen Tendenzen in der Gesellschaft – nicht nur in den Medien. Hierfür sollte ein unabhängiges Kompetenzzentrum geschaffen werden, besetzt mit Wissenschaftlern, Sicherheitsfachleuten und anderen Experten. Diese Beobachtungsstelle muss – genau wie die Initiativen gegen Rechtsextremismus – langfristig finanziell ausgestattet werden, um eine kontinuierliche Arbeit leisten zu können und um die besten Fachleute für diese Aufgabe zu gewinnen. Auf die Erkenntnisse, die der Verfassungsschutz der Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren geliefert hat, kann die Gesellschaft verzichten, besonders, wenn man den Preis dafür bedenkt – die Intransparenz und die Zusammenarbeit mit Rechtsextremen. In der organisierten Kriminalität mag das V-Mann-Prinzip funktionieren, weil es ausschließlich um Geld geht, in politischen Zusammenhängen ist es hingegen unwirksam, kontraproduktiv und gefährlich.
    Die Medien müssen sich kontinuierlich und hintergründig mit menschenfeindlichen Einstellungen beschäftigen, und sie müssen sich endlich stärker für Migranten öffnen. Lokalzeitungen und -politiker dürfen Probleme nicht verharmlosen, mittelfristig zahlt sich ein offensiver Umgang mit rechtsextremen Tendenzen auch für die jeweilige Gemeinde aus, denn bürgerschaftliches Engagement und öffentliches Leben werden gestärkt, und auch das Image verbessert sich, wenn Rechtsextremismus klar benannt und bekämpft wird.
    Der Skandal um das Versagen der Sicherheitsorgane muss umfassend und nachhaltig aufgearbeitet werden, damit ein erneutes Desaster verhindert wird. Dazu gehört auch Bildungsarbeit bei der Polizei über Rassismus und andere menschenfeindliche Einstellungen. Die Polizei muss sich zudem ebenfalls einer demokratischen Kontrolle unterwerfen, denkbar wäre ein Ombudsmann-System, wie es beispielsweise in Schottland praktiziert wird. Vertrauen in die Polizei ist für ein demokratisches System von elementarer Wichtigkeit.
    Eine Demokratie lebt von Streit und unterschiedlichen Ansichten. Die Bundesregierung muss daher die Extremismus-Klausel sofort abschaffen, um nicht weiter die Arbeit von Initiativen und Vereinen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus zu behindern und unter Generalverdacht zu stellen. Die Extremismustheorie hat bewiesen, dass sie nichts erklärt, aber viel verschleiert. Der Politikwissenschaftler Gideon Botsch meint, Extremismustheorien seien »problematisch, da sie einen Gattungsbegriff schaffen, wonach eine ›rechtsextreme‹ Spielart existiere. Die Eigendynamik dieses Phänomens wird dadurch vernachlässigt, man schaut nur auf die Systemfeindschaft. Aber der Rassismus wird beispielsweise nur als Funktion der Systemfeindschaft erklärt.« 102
    Christoph Butterwegge schrieb in dem Buch
Jugend, Rechtsextremismus und Gewalt
: »Todfeinde wie der Faschismus und Kommunismus befinden sich damit ›im selben Boot‹, wohingegen man ihrer Herkunft, ihren geistigen Wurzeln und ihrer Ideologie verwandte Strömungen, wie etwa Deutschnationalismus, Nationalkonservatismus und Nationalsozialismus, anderen Strukturkategorien zuordnet. Grau- bzw. ›Braunzonen‹, ideologische Grenzgänger und inhaltliche Überschneidungen zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus werden nicht mehr thematisiert oder bewusst tabuisiert, die tiefen Gräben zwischen Rechts- und Linksradikalismus zwar keineswegs ignoriert, ihrer Bedeutung nach jedoch stark relativiert. Die Konzentration auf das/die Extreme lenkt vom gesellschaftlichen Machtzentrum und von seiner Verantwortung für die politische Entwicklung des Landes ab. Gleichwohl maßt sich eine fiktive politische ›Mitte‹ an, konkurrierende Positionen links und rechts von ihr als ›undemokratisch‹ ausgrenzen zu können, entzieht sich selbst damit aber jeder Kritik.«
    Solange sich die Gesellschaft aber den bequemen Blick auf Neonazis erlaubt, wonach diese irgendwie von außen gekommen sind, das Problem also exotisiert wird, so lange wird es nicht gelöst. Beim Skandal um den Terror des NSU ist es leicht, mit dem Finger auf einzelne Akteure zu zeigen. Doch monokausale Erklärungen sind
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