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Terror von Rechts

Terror von Rechts

Titel: Terror von Rechts
Autoren: Patrick Gensing
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Entwicklung zeichnet sich dabei gerade in den höheren Einkommensgruppen ab? Welches Verständnis von Gerechtigkeit gibt es, wem wird Unterstützung zugebilligt, wem nicht, und welche Auswirkung hat die Ökonomisierung der Gesellschaft für Einstellungen gegenüber den Schwachen? Zentrales Ergebnis der Untersuchung: Angefeuert von politischen, medialen und wissenschaftlichen Eliten sind in höheren Einkommensgruppen deutliche Anstiege hinsichtlich abwertender und menschenfeindlicher Einstellungen gegenüber verschiedenen schwachen Gruppen vorzufinden, insbesondere Islamfeindlichkeit. Zudem sprechen die Wissenschaftler von einer zunehmend rohen Bürgerlichkeit. Diese Rohheit zeichne sich dadurch aus, dass es infolge ökonomischer wie gesellschaftlicher Kriseneffekte deutliche Hinweise auf eine entsicherte wie entkultivierte Bürgerlichkeit gebe, die auch über angeblich liberale Tagesund Wochenzeitungen verbreitet werde. Sie zeige sich in Forderungen nach dem Abbau von Bedarfsgerechtigkeit. Die neue Formel des Abbaus von sozialstaatlichem Anrecht auf Unterstützung laute: Gnade durch Wohlhabende und Selbstverantwortung der sozial Schwachen. Hinzu komme die Reklamierung eigener ungerechter Behandlung durch Wohlhabendere trotz der Umverteilung von unten nach oben. Dies sei »die Entblößung bisheriger ohnehin labiler Moralität. Der semantische Klassenkampf von oben wird ungeniert offenbart«. Diese rohe Bürgerlichkeit scheine ihren gepflegten Konservatismus unter dem Druck der Verhältnisse abzustreifen. Zivilisierte, tolerante, differenzierte Einstellungen in höheren Einkommensgruppen scheinen sich in unzivilisierte, intolerante – verrohte – Einstellungen zu wandeln, warnen die Forscher. Insgesamt sei eine ökonomistische Durchdringung sozialer Verhältnisse zu registrieren. Sie fördere auch den Zwang zur Flexibilität, um aufzusteigen, den Status zu sichern oder Abstiege zu verhindern. Führe diese Flexibilisierung nicht zum beruflichen Erfolg, hänge damit eine verstärkte Gewaltbilligung und -bereitschaft zusammen. Insgesamt sei das Verhältnis von regierender Politik und gesellschaftlichen Gruppen nachhaltig gestört, so die Ergebnisse der Untersuchung. Das rechtspopulistische Potential, mit islamfeindlichen Einstellungen verbunden und aggressiv aufgeladen, zeige dies. Dieses rechtspopulistische Potential sei in allen gesellschaftlichen Gruppen vorhanden, aber die Zunahme in höheren Einkommensgruppen sei »auffällig und gefährlich«, weil die rohe Bürgerlichkeit und ihre Mobilisierungsexperten in den Medien die vermeintliche Dekadenz dieser Gesellschaft, das angebliche Schweigen über die Integrationsprobleme von Eingewanderten und fehlende Leistungsbereitschaft »unten in der Gesellschaft« aggressiv beklagen. Zur Bekämpfung dieser Dekadenz bedarf es nach Ansicht der Forscher innergesellschaftlicher Feindbilder. Muslime gehören ebenso dazu wie »wirtschaftlich Nutzlose«.
    »Wenn es soziale Ängste in verschiedenen Schichten gibt, dann versuchen rechte Populisten klare Sündenböcke zu bieten: In den Achtzigern die ›Asylantenflut‹, in den Neunzigern der Ansturm der Armen, die aus anderen Ländern kommen – und aktuell erleben wir einen Kulturrassismus gegen Muslime gerichtet«, sagt Alexander Häusler von der Arbeitsstelle Neonazismus der Fachhochschule Düsseldorf. Dieser Kulturrassismus sei ganz eindeutig das »inhaltliche Ticket«, mit dem gearbeitet werde. Auf die Frage, ob denn Angst und Vorurteile für einen langfristigen Erfolg ausreichten, sagt der Sozialwissenschaftler: »Dadurch kann das gesamte politische Gefüge verschoben werden – nach rechts.« Dies könne aber auch ohne eine erfolgreiche Rechtsaußenpartei geschehen, betont er. Entweder etabliere sich eine neue Kraft von Rechtsaußen – oder aus dem politischen Gefüge heraus ergebe sich »eine Akzentverschiebung nach rechts. Ein Kulturrassismus in der Mitte – der sich in der aktuellen Politik niederschlägt.« Es könnte, so befürchtet Häusler, einen Rückfall geben in der Integrationsdebatte: »Wieder zurück dahin, dass wir kein Einwanderungsland sind. Und dass Integration ausschließlich eine Anpassungsaufgabe ist.« Entscheidend sei nun, so Häusler weiter, eine gesellschaftliche Debatte über zentrale Fragen: »Wie stellen wir uns Gesellschaft vor? Wie wollen wir mit Konflikten umgehen? Was verstehen wir unter Integration? Wie wollen wir soziale Probleme und Ängste bewältigen? Da muss eine klare Entscheidung her
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