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Terroir

Terroir

Titel: Terroir
Autoren: Reinhard Heymann-Loewenstein
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ATURE’S S ON
    The Beatles
    Sehr zum Ärgernis derjenigen Weinproduzenten, die mit einem bestimmten Kapitaleinsatz regelmäßig ein gleiches Geschmackserlebnis herstellen wollen, ist es auch heute noch fraglich, ob die „Übung“ gelingt. Nicht dass aus Trauben kein Wein würde. Aber trotz aller Erfolge der önologischen Frankensteins ist es bislang noch nicht gelungen, eine perfekte Show abzuliefern und dabei Trauben in einen Wein mit einem exakt vorgegebenen Aromenspektrum zu verwandeln. Schlechte Forscher, schimpft die Industrie, zu wenig Geld, schimpft die Uni. Oder ist es Eigendynamik einer nicht bezähmbaren Weinnatur? Aber warum eigentlich bezähmen?
    Mother Nature’s Son gehört sicher nicht zu den stärksten Songs der Beatles. Aber was Paul McCartney und John Lennon hier nach ihrer Indienreise zu Maharishi Mahesh Yogi singen, zeigt auf einfache und schlichte Art, wie wir der Natur ganz anders begegnen können:
    Sit beside a mountain stream,
See her waters rise,
Listen to the pretty
Sound of music as she flies.
    Wie schön ist es, auf einer Weinbergsmauer zu sitzen und in die Landschaft zu schauen, einfach nichts zu tun, einfach nur zu sitzen und zu sinnieren.
    Wie schön ist es, im Keller zu stehen und die Fässer zu betrachten, das Blubbern der Gärung zu hören, die ruhige Schwingung der Gewölbe zu spüren.
    Wie schön ist es, einfach ein Glas Wein zu trinken. In aller Ruhe. Zu spüren, wie sich die Blume entwickelt, sich der Wein im Glas langsam erwärmt, wie er seinen Geschmack verändert. Einfach nur so. Einfach nur schmecken, es geschehen lassen. Ganz langsam webt sich ein geheimnisvolles Band aus Wein, Landschaft, Erde, Herkunft, Identität, Wasser, Trauben, Steinen, Himmel, Heimat, Luft, Staub, Wind, Sound …
    Für uns moderne Menschen ist es nicht leicht, sich auf eine solche Ebene einzulassen. Wir sind nicht gern passiv. Im Gegenteil. Wir lieben es, aktiv zu sein, die Welt und uns selbst zu kontrollieren. Als Teil einer visuellen Gesellschaft bedienen wir uns primär der Augen. Das Auge unterscheidet, trennt aktiv die äußere Welt in verschiedene Farben Formen. Die optischen Reize, die auf unsere Netzhaut treffen, werden mit bekannten Bildern verglichen und weiterverarbeitet. Mit Bildern kennen wir uns gut aus. Auch mit Farben. Die deutsche Sprache kennt allein hundertzwanzig verschiedene sprachliche Varianten von Blau.
    Die Dominanz des Visuellen feierte ihren Durchbruch mit der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft, durch den Zeitgeist der Aufklärung mit seiner Hinwendung zum Licht, mit der Fokussierung auf das Individuum, auf das psychologische Ich.
    Ward mit Musik ich erfreut,
schlürfte das Ohr Melodien:
Stimmen ertönten laut
und es schlugen die Berge die Orgel.
Und es hallt’ Melodien wider der hangende Fels. B ald dämpft ehernes Werst
    der Besaitung sanftere Töne,
Antwort hallte der Flöt’ ab von dem Berge Gesträuch
nun mit erzitterndem Beben,
und dann in dem vollen Gesanglaut
schallt von dem Fels die Musik,
wie sie entströmet dem Erz.
Also vereint der Gesang Anmut die getrennten Gestade,
und einstimmig entschallt Hügeln und Strömen Musik.
    Venantius Fortunatus, der aus Venetien stammende Bischof von Poitiers, bereiste die Mosel von Metz bis Andernach im Jahr 588 zusammen mit dem Frankenkönig Childebert II. Wenn wir heute seine Reisebeschreibung De navigio suo lesen, scheint es uns, als sei er blind gewesen. Als hätte er die Mosel nicht gesehen, sondern gehört.
    Vor der visuellen lag die auditive Zeit. Das Ohr war das wichtigste Organ im Kontakt mit der Umwelt. Nicht, dass die Menschen in dieser Zeit nichts gesehen hätten, aber das Sehen hatte eine andere Qualität, es erinnert uns heute mehr an ein tranceartiges Schauen.
    Hier, möcht’ ich glauben,
treffen auch die ländlichen Satyrn mit den blauäugigen Najaden zusammen
hart am Uferrand, wenn jene bocksfüßigen Pane die ausgelassene Lüsternheit treibt
und sie im flachen Wasser hüpfen und ihre furchtsamen Schwestern da unten im Strome erschrecken,
tölpelhaft klatschend und patschend im Wasser.
Oft auch musste mitten aus den Rebhügeln,
eben Trauben naschend b ei den befreundeten Nymphen der Berge,
das schöne Flusskind Panope laufen
und flüchten vor den Faunen,
den geilen Gesellen, den Göttern der Feldflur.
Man erzählt auch,
wenn am Mittag hoch oben die feurige Sonne steht,
dass dann gemeinsam in der Flut die Satyrn
mit den Schwestern, die aus der gläsernen Tiefe kommen,
in schöner Harmonie ein
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