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Tausendundeine Stunde

Tausendundeine Stunde

Titel: Tausendundeine Stunde
Autoren: Christiane Suckert
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Kunstkarten suchte ich allerdings stets mit Bedacht aus. Ich fand auf Anhieb die richtige Karte für ihn. Auf der Vorderseite dieser Karte war ein Gedicht von Erich Fried abgedruckt: „Was es ist.“ Eine Hommage an die Liebe.
    Auf die Rückseite schrieb ich nur wenige Sätze. Wenn er klug war, erkannte er, was ich für ihn empfand. Ich legte die Karte auf seinen Frühstücksteller und stellte einen kauzigen kleinen Schutzengel aus Ton daneben. Am Morgen hockte ich mich neben ihn und sang leise in sein Ohr: „Der Kaffee ist fertig.“ Zumindest hatte ich es versucht, in Wirklichkeit konnte ich nie einen Ton richtig halten. Er blinzelte mich aus verschlafenen Augen an und umarmte mich. In Ermangelung eines Kuchens steckte ich die kleine Geburtstagskerze in das frisch aufgebackene Brötchen und zündete sie an. Das sah reichlich affig aus, Flo fand es kreativ. Ich überreichte ihm den Engel mit den Worten, dass er ihn auf all seinen Wegen beschützen möge und unsere Liebe auch. Wir trennten uns ungern. Immer wieder umarmte er mich, bis ich ihn sanft aus der Tür hinaus schob. Er hüpfte leichtfüßig die Treppe hinunter, als er sich noch einmal umdrehte, legte ich meinen Finger auf die Lippen. Es war früh, halb fünf. Sofort stellte er sich auf seine Zehenspitzen und ging nun betont langsam weiter. Ich schmunzelte. Er war ein großer, wunderbarer Junge mit dem ich viel und herzlich lachen konnte.
     
    Ich hatte das Gefühl, als hielte jemand die Zeit fest. Die Woche wollte einfach nicht vergehen. Endlich stand er am Freitagabend mit einem Strauß Blumen vor meiner Tür. Nach dem Essen saßen wir in der Küche bei einem Glas Wein und hatten einander viel zu erzählen.
    Ich himmelte ihn an: „Als kleines Mädchen habe ich meine Mutter gefragt, ob Liebe genauso schmeckt wie mein Brausepulver. Sie hatte gelächelt und gesagt, dass sie mir genau das wünscht. Aber ich müsste es allein herausfinden. Weißt du was? Liebe schmeckt viel prickelnder als Brausepulver.“
    Danach holte ich meinen Zweitschlüssel und drückte ihn Flo in die Hand.
    „Ist das der Schlüssel zu deinem Banksafe? Lohnt es sich? Nein warte mal, das ist der Schlüssel zu deinem Herzen.“
    „Wenn du so willst, dann ist er es in gewisser Weise“, antwortete ich. Seine Plüschaugen sagten mir, dass er gerührt war.
    „Wäre doch eine dankbare Aufgabe für dich und dein Team, einen Herzensschlüssel zu erfinden. Gewissermaßen einen, der mittels Hochfrequenz auf Knopfdruck funktioniert. Oder kreiert eine Lebensfernbedienung. So ein Hightech-Ding mit dem man sein Leben auf Pause drücken könnte, vor- oder zurückspulen kann, hm?“
    Er versprach, das gleich in der kommenden Woche, in einer Art Brainstorming, mit seinem Team anzugehen. Allerdings bestand ich darauf, dass die Patentrechte mir zufallen. Wir gingen zum zweiten Dessert über. Meine Panik, dass ich allmählich vertrocknen würde, war völlig umsonst gewesen.
     
    Am Samstag feierten wir Flos Geburtstag nach. Den Sonntagvormittag verbrachten wir in einem Park. Es war ein herrlicher Wintertag. Wir stapften Hand in Hand durch den Schnee, mein Herz galoppierte vor Freude. Plötzlich blieb Flo vor mir stehen, breitete seine Arme aus und schmetterte stimmgewaltig im tiefen Bass eine Arie an Juliane. Ich war beeindruckt, wie schnell er die passenden Worte fand. Kurze Zeit später bog ich mich vor Lachen, denn nun trällerte er ein Duett. Einen selbst verfassten Dialog zwischen Juliane und Flo. Mal hoch, mal tief.
    Am Nachmittag beschloss er, sich krank zu melden. Er wäre seit fünfzehn Jahren nicht krank gewesen und könne sich das durchaus einmal leisten.
    „Und worauf willst du dich krankschreiben lassen. Auf Liebestollheit?“
    Er verzog sein Gesicht zur Grimasse und schlurfte wie der Glöckner von Notre Dame durch das Wohnzimmer. „Ja, Esmeralda, wegen schwerem Liebeswahn!“
    Dabei rollte er wie tollwütig die Augen und schnaufte wie ein Stier. Als ich mich von meinem Lachanfall erholt hatte, redete ich es ihm aus. Schweren Herzens fuhren wir also zu seiner Mutter, um dort die frisch gewaschene Wäsche in seine Tasche zu packen. Am Abend fuhr er dann los. Bei der Verabschiedung sagte ich ihm, dass ich gern seine Sachen waschen würde. Er nahm es wohlwollend auf.
    Spätabends rief ich meine Freundinnen an. Caroline schwärmte mir von ihrer neuen Wohnung vor, einer Maisonette-Wohnung, von der aus sie die halbe Stadt überblicken könne. Mit Martin wäre auch alles okay. Und in wenigen
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