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Tausendundeine Stunde

Tausendundeine Stunde

Titel: Tausendundeine Stunde
Autoren: Christiane Suckert
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allem dieser Wahn an unserem Partner herumzubasteln. Wenn wir aus ihm einen dressierten Affen gemacht haben, gefällt er uns nicht mehr. Falls er die Dressur überhaupt über sich ergehen lässt. Die meisten Männer hauen ja schon vorher ab, was ich persönlich sehr weise finde.“
    „Trotzdem“, warf Doris ein „könnte dieser Zustand des Verliebtseins nicht ein wenig länger vorhalten? Die Normalität hält viel zu schnell Einzug in eine Beziehung und das ist frustrierend.“
    „Wenn ich mir das noch etwas länger anhöre, verliere ich alle Ambitionen, mich fest zu binden. Dabei ist es doch so eine Art Grundsehnsucht, oder? Ich meine Menschen sind soziale Wesen und sehnen sich nach einem zu Hause, nach einem Ort der Vertrautheit und Wärme. Ich würde gern mit euch tauschen. Sex ist schließlich nicht alles.“
    „Ich meine ja auch nicht nur den Sex, Nele.“ Doris klang gereizt.
    „Nele verschränkte ihre Arme und lächelte herausfordernd.
    Ich hatte das Gefühl, eingreifen zu müssen. „Hm“, sagte ich, „vielleicht passiert in einer Partnerschaft das Gleiche wie mit den Nebenwirkungen eines Medikamentes.“
    Doris schaute mich fragend an: „Wie meinst du das?“
    „Wenn du ständig Rückenschmerzen hast, dann nimmst du ein Medikament, auch wenn du weißt, dass es Nebenwirkungen verursachen kann. Liest du dir die Beipackzettel immer durch, ehe du ein Medikament nimmst?
    Meistens schon“, antwortete Doris.
    „Gut, dann musst du in jedem Fall eine Entscheidung treffen. Du entscheidest dich, das Medikament zu nehmen, um so deine Schmerzen zu verlieren, gehst jedoch das Risiko einer Nebenwirkung ein. Oder das Risiko ist dir zu hoch, du nimmst das Mittel nicht und behältst deine Schmerzen. Was ich sagen will, ist, dass wir uns beide für eine feste Partnerschaft entschieden haben, weil in uns eine unstillbare Sehnsucht nach Zweisamkeit war.“
    Doris schwieg einen Moment, dann sagte sie: „Du hast Recht, betrachten wir den Einzug des Alltags als Nebenwirkung, die wir in Kauf nehmen müssen.“
    Nele lachte erheitert.
    „Ich weiß nicht, so wie du es sagst, klingt es resignierend. Dabei ist es doch nur eine Sache der Betrachtung. Am Anfang unserer Beziehung konnten Flo und ich stundenlang miteinander reden. Das kommt heute eher selten vor. Vielleicht, weil schon alles gesagt wurde. Vielleicht aber auch deshalb, weil man sich inzwischen wortlos versteht. Manchmal, wenn ich ihn etwas Banales frage und er keine Lust hat, darauf zu antworten, greift er nach meiner Hand und zwinkert seltsam mit seinen Vergissmeinnicht-Augen. So als wolle er damit sagen, dass er alles fest im Griff hat. Jedes Mal, wenn er meine Hand mit der seinen umschließt, durchflutet meinen Körper das süße Gefühl der Freude. Früher hatte ich Schmetterlinge im Bauch, heute tanzen sie in meinem Herzen.“
    „Verstehe“, antwortete sie und sah mich traurig an. Dann umarmte sie mich und schluchzte leise: „Du wirst mir fehlen.“
    „Ich werde dich auch vermissen. Ich lasse dir meine hölzerne Truhe da, die gefiel dir doch immer so gut. Pack dort alles hinein, was dich daran hindert, die Schmetterlinge in deinem Herzen zu spüren. Versprochen?“
    „Versprochen“, antwortete Doris und lächelte ein wenig verloren.
    Ich wandte mich Nele zu: „Pfeife auf die Nebenwirkungen, wage es einfach. Pass auf dich auf.“
    Schweren Herzens verabschiedeten wir uns. Wir wussten, dass wir am Ende eines Weges angelangt waren, den wir, gemessen an unserem Lebensweg, eine kurze Zeit lang gemeinsam gingen.
    Zu Hause kochte ich mir einen Tee und nahm Whisky auf meinen Schoß. Den hatte ich in letzter Zeit ziemlich vernachlässigt. Während ich ihn streichelte, dachte ich über unsere Gespräche beim Brunch nach.
    Welcher Mann und welche Frau halten schon einen lebenslangen Dauermarathon aus? Niemand, außer Forrest Gump.
    Whisky schnurrte behaglich.
    „Du kennst Forrest Gump natürlich nicht. Das ist nur eine Romanfigur. Weißt du, wenn man hemmungslosen, wilden Sex braucht, Rosen, schmachtende Blicke und täglich dreimal „Mausi, ich liebe dich“ hören will, dann hilft nur eins: Alle viertel Jahre den Partner wechseln. Das wäre mir zu anstrengend.“
    Whisky hopste von meinem Schoß und rekelte sich entspannt. Er lag auf seinem Rücken, alle Viere von sich gesteckt und blinzelte mich an.
    „Ah, du willst, dass ich mich weiter mit dir unterhalte? Na gut.
    Ich fürchte, dass insbesondere wir Frauen einem elementaren Denkfehler unterliegen. Wenn
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