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Tausendundeine Stunde

Tausendundeine Stunde

Titel: Tausendundeine Stunde
Autoren: Christiane Suckert
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Frieden aufwachsen. Nun ja und dann dachte ich mir, dass sich diese Partei doch für den Frieden einsetzt. Doof, nicht wahr? Es ist, als hätte mir jemand die Beine weggerissen und keiner ist da, der mich auffängt. Hast du das heute in den Nachrichten gehört? Die haben ein riesiges Waffenlager gefunden, in einer getarnten Fabrik. Waffen, die in den Nahen Osten verschoben wurden und Menschen töteten. Und sag mir bloß mal, wozu die Honecker ein Collier im Wert von neuntausend Valutamark brauchte? Und weißt du, welche Zustände in den Gefängnissen herrschten? Ich könnte mich pausenlos aufregen. Weißt du, was mich am meisten in Rage bringt? Dass diese gesinnungslosen Bonzen das gleiche Parteiabzeichen tragen, wie ich. Ich bin die meiste Zeit meines Lebens in die falsche Richtung gelaufen.
     Wofür Georg?“
    Georg wusste darauf auch keine Antwort. Ich goss mir noch einen Kräuterschnaps ein: „Ich habe einen Teil von mir in eine Sache investiert, die sich schleichend zu einem verkrusteten formalen Machtgefüge auswuchs. Zum ersten Mal bin ich froh, dass mein Vater vor Jahren gestorben ist. Spätestens jetzt wäre er Amok gelaufen. Der und sein Scheiß-Idealismus, den er mir leider weiter vererbt hat. Du nimmst das nicht so schwer, was?“
    Georg goss sich auch einen Schnaps ein. „Ich sehe eben alles eher praktisch. Weißt ja, für Gefühlsduselei bin ich nicht zu haben. Aber ich habe jetzt eigentlich keine Lust zum Diskutieren, lass uns schlafen gehen.“
    Ohne mich zu fragen, ob ich auch schlafen möchte, räumt er die Gläser weg, schüttet angewidert den Aschenbecher aus und trabt nach oben ins Schlafzimmer. Kurze Zeit später schläft er den Schlaf der Gerechten, ich wälze mich im Bett von einer Seite auf die andere. Die Füße brennen, ich bekomme Sodbrennen und leide an Weltschmerz. Dann fällt mir ein, dass unser gemeinsamer Freund Hans in zwei Tagen Geburtstag hat. Ich rappele mich hoch und laufe nach unten in die Küche. Natürlich gieße ich mir noch ein Einschlafschnäpschen ein, rauche ein Zigarettchen und schreibe auf den Terminkalender: „Hans Geburtstag“.
    Georg zersägt das Schlafzimmer. Ich halte ihm die Nase zu, er schnappt mit wippenden Lippen nach Luft und grunzt weiter. Wahrscheinlich hat er im Schlaf wieder donnerschlagähnlich gefurzt, denn am Morgen erzählt er mir, dass ich im Traum gesagt hätte: „Lass uns schnell weiter gehen, ein Gewitter zieht auf.“
    „Komisch, Helga hat uns noch gar nicht angerufen. Vielleicht feiern die doch erst am Wochenende den Geburtstag? Georg hörst du zu?“, rufe ich ins Badezimmer.
    Georg rasiert sich und murmelt irgendetwas vor sich hin. Ich gehe zu ihm. „Hast du das Geschenk eingepackt?“, fragt er.
    „Ja“, antworte ich, „warum hast du dieses blöde Hemd angezogen, darin siehst du immer aus, als ob du gerade eine Gallenkolik überstanden hast.“
     
    Kurze Zeit später klingeln wir mehrmals, ehe Hans zur Gartenpforte gestolpert kommt. „Ach, wie schön, kommt reinspaziert.“ Hans macht eine Verbeugung wie ein alternder Bühnenstar nach dem dritten Vorhang. „Kommt rein, kommt rein“, wiederholt er sich.
    Das Haus scheint leer zu sein. Keine Gratulanten, kein gedeckter Tisch, keine Blumen, keine Geschenke.
    Ich schnappe nach seiner Hand: „Das Leben, Hans, besteht aus vielen kleinen Münzen, wer sie aufzuheben weiß, ist ein reicher Mensch. Ich wünsche dir also den Blick für diese Münzen.“
    Hans drückt mich an sich: „Hm, das hast du aber nett gesagt, Juliane.“
    Auch Georg lässt seinen Spruch los und wird von Hans unterbrochen. „Ja, ja, ja. Setzt euch. Bier? Wein? Schnaps? Sekt?“
    „Ja, ein Bier und für Juliane Sekt“, bestimmt Georg.
    Hans torkelt los. Umständlich stellte er das Bier nebst Glas ab und kämpft dann mit dem Sektkorken. „Tja also, hoffe ihr habt zu Abend gegessen. Helga hat sich unerlaubt von der Truppe entfernt. Lebt jetzt bei unserem Muttersöhnchen Dirk. Sie ist sozusagen desertiert. Meinte, ich sei ihr zurzeit etwas anstrengend. Hexe, die. Na, dann Prost!“
    Er hält sein Glas fest umklammert, als ob es sein letzter Drink wäre und schüttet den Cognac in einem Zug hinunter.
    „Na, Juliane, schreibst du immer noch deine netten Geschichtchen?“ Ich komme nicht dazu, ihm zu antworten.
    „Und du, Georg? Gar nicht mehr in grüner Uniform? Hängst dein Lametta an den Weihnachtsbaum was? Hahaha!“
    Auch Georg kommt nicht dazu, eine Antwort zu geben. Und das ist bemerkenswert. Hans krault sich
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