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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
Autoren: Anonymer Verfasser
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daß es hier jeder erkennen konnte. Darauf ließ sie das alte Weib vor sich kommen und gab ihm den Strauß und sprach: ›Schenke ihn dem, der dir am meisten gefällt.‹ Sobald der von der Alten gesehen wurde, fand sie, daß er schön und herrlich war und ihren bei weitem übertraf; und sie argwöhnte, wenn sie den in Guls Namen dem Könige brächte, würde sie vielleicht ihres Jahrgeldes, dasihr die Sorge um den Garten einbrachte, verlustig gehen, und es würde der Jungfrau, die in dieser Kunst wohlbewandert war, zugesprochen werden. Daher wollte sie ihn nicht nur dem Könige nicht geben, sondern beschloß auch – da sie fürchtete, daß er eines Tages von selbst die Kunstfertigkeit der Jungfrau bemerken würde –, um nicht von ihr des Jahresgeldes beraubt zu werden, in den Gärten der Stadt nachzusehen, ob sie einen Meister finden könnte, welcher Gul überträfe. Und sie tat solches mit großem Eifer, da sie sich notwendig ihren Ruhm und ihr Jahresgeld erhalten wollte. Weil sie aber niemanden zu finden vermochte, der sich erkühnte, bessere Sträuße als die Guls zu binden, war sie recht traurig; und als sie nun nach dem Gulistan ging, begegnete ihr von ungefähr Dschasimin, und sobald er den Strauß in der Hand der Alten erblickte, merkte er, daß ihn Firischtes Weib gewunden hatte. Und er sprach: ›Ach, o meine Mutter, verkaufst du mir etwa diesen Rosenstrauß?‹ Sie antwortete ihm: ›Ja, aber unter zehn Dinaren will ich es nicht tun!‹ Und der Jüngling heuchelte, darüber sehr verwundert zu sein, und sagte darauf, wenn sie ihm zwei Dinare zahlen wollte, würde er sie einen schöneren Rosenstrauß als diesen sehen lassen. Hierauf war die Alte über die Maßen begierig und antwortete: ›Ich bin es wahrlich zufrieden, nicht zwei, nein fünf Dinare zu zahlen, wenn du mir keinen schöneren, sondern einen ebenso gewundenen Rosenstrauß verkaufst!‹ Damit war Dschasimin einverstanden und nahm unsäglich fröhlich die Alte bei der Hand und führte sie in das Gemach, wo Firischte war. Als sie vor dessen Antlitz gekommen waren, näherte sich Dschasimin seinen Ohren und sprach: ›Sei nun aber fröhlich, denn ich bringe dir gute Zeitung!‹ Um solcher Worte willen stand der Jüngling sogleich auf undwandte sich gegen das Weib und sah seiner Gul Strauß in ihrer Hand, und wie er vernommen hatte, was zwischen Dschasimin und ihr abgemacht worden war, sagte er zu ihr: ›O meine Mutter, sowie du mir ein Körbchen mit Rosen bringst, will ich dir einen bei weitem schöneren Strauß als den deinigen zeigen!‹ Sie wünschte nun nichts sehnlicher als das, um nicht mehr Guls Fertigkeit fürchten zu müssen; sie ließ ihren Strauß da und eilte fort, die Rosen sogleich zu beschaffen. Nachdem Firischte den Strauß mehr denn tausendmal geküßt hatte, schrieb er ein paar Zeilen an Gul und offenbarte ihr sein Gefängnis und alle ihm bis zu diesem Tage zugestoßenen Ereignisse und bat sie flehentlich, auch ihm ihr Ergehen und den Ort, wo sie weilte, mitteilen zu wollen, da er leicht dank Dschasimins Kraft, die ihn vom Tode errettet hätte, zu ihr kommen könnte. Er barg dann das Schreiben in ein Schilfrohr und erwartete die Rosen holende Alte; und sobald die mit ihnen zu Firischte zurückgekommen war, nahm er das Schilfrohr in die Hand und wand um es einen so wohlgeordneten Rosenstrauß, daß man sein und seiner Gul lebendiges Abbild zu sehen glaubte, und stellte die Rosen mit einer solchen Kunst zusammen, daß dieser Strauß den von Gul bei weitem an Schönheit übertraf. Und ihn der Alten darbietend, sagte er: ›Ich schenke dir, o meine Mutter, den ganzen zwischen dir und meinem Gefährten übereingekommenen Preis und will keine andere Bezahlung von dir, als daß du den Strauß, den ich dir jetzt schenke, dem Meister, der den gebunden, für welchen du zehn Dinare fordertest, zeigen sollst, auf daß er erfährt, daß sich in dieser Stadt auch andere Leute finden lassen, die noch schönere Sträuße als er winden können!‹ Solches versprach die Alte Firischte und sagte ihm um der empfangenen Güte willen vielen Dankund ging ganz heiter und froh von ihm. Sie kam vor die Jungfrau und sprach: ›Nun sieh ein wenig her, o Jungfrau, ob ich wohl einen schöneren Strauß als du gewunden habe!‹ Gul erkannte sogleich das Werk ihres Gatten und wurde ganz getröstet, weil sie dadurch erfuhr, daß er nicht gestorben war, und antwortete ihr: ›Ich kann es nicht leugnen, daß dieser Strauß schöner ist als der, den ich dir gegeben
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