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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
Autoren: Anonymer Verfasser
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war. Hier nun brachte die schmerzensreiche Gul alle Tage in Bitten und Gebeten nach dem Rate des Beichtvaters zu; und es geschah, daß sich die Königstochter, welcher die Alte Guls Ankunft offenbart hatte, vornahm, sie sprechen zu wollen, und ließ ihren Vater inständig darum bitten; der aber gab ihrem Wunsche willig nach. Und sie ließ es Gul durch eine ihrer Sklavinnen wissen und wurde von der fröhlichen Antlitzes empfangen und aufgenommen. Wie sie sich nun eine gute Zeit mit ihr über mancherlei Dinge unterhalten hatte, erzählte Gul ihr auch in einem langen Gespräche ihr Mißgeschick von Anfang an. Da die Königstochter, die großes Mitleid mit ihr hatte, einsah, mit welch großer Offenheit ihr Gul ihr eigenes Unglück erzählt, ließ sie sie auch um den Tod ihres Oheims und die Gefangenschaft ihres Verlobten wissen und welch lange Zeit sie ihr Vater hier in Verwahrsam hielt. Und sie schlossen innige Freundschaft miteinander und verbrachten einen großen Teil des Tages zusammen; und weil sich Gul durch das Mittel, das ihr der Beichtvater angegeben hatte, bald aus den Händen des Tyrannen zu befreien hoffte, so wollte sie es auch seiner Tochter kundgeben, auf daß sie sich ebenso befreien könnte.Als sie sich daher eines Tages länger über mancherlei Dinge miteinander unterhalten hatten, sprach Gul zu ihr: ›Weil ich in Wahrheit weiß, daß ich mit Gottes Hilfe durch ein Mittel, das mir mein Beichtvater, ein Mann von gutem und frommem Lebenswandel, anvertraut hat, bald aus den Händen des ruchlosen Königs entkommen und in meinen früheren Zustand zurückversetzt werden werde, schmerzt es mich gar sehr, daß du in deiner Gefangenschaft verbleiben sollst; wenn du mir nun versprichst, es niemals jemandem weiterzusagen, will ich es dir auch offenbaren und bin überzeugt, wenn du es in Anwendung bringst, wirst du bald für deine Leiden eine Heilung gewinnen.‹ Die Königstochter sagte ihr nun gar herzlich Dank und versprach, niemandem etwas davon mitteilen zu wollen, und bat sie inständigst, es ihr zu enthüllen, auf daß auch sie sich aus ihrem jetzigen elenden Zustande befreien könnte. So teilte ihr es Gul denn unverzüglich mit; da gelobte sie, wenn sie sich und ihren Verlobten mit solchem Mittel aus der Gefangenschaft befreien würde, sich zu Gott bekennen zu wollen; und wenn sie in ihren früheren Zustand zurückversetzt würde, wolle sie sich sogleich taufen lassen. Und sie dankte Gul für die große Herzlichkeit, mit der sie an ihr gehandelt habe, kehrte in ihr Gemach zurück und fing alsobald zu fasten an und tausend Vaterunser aufzusagen. Als sich Gul schon mehrere Tage mit solchen Dingen beschäftigt hatte, glaubte sie eines Nachts den unglücklichen Firischte im Traume zu sehen, der mit ihr ihr gemeinsames Unglück beklagte und sie gar innig bat, da sie ja die Ursache seines so großen Mißgeschicks wäre, möchte sie ihn wenigstens mit einem ihrer Rosensträuße, aus dem man ihr Gesicht erkennte, trösten. Sie aber konnte in solchem Traume nicht lange liegen; und um desKummers willen, den sie ob Firischtes Worte empfand, sogleich aufwachend, rief sie Akil, ihre Gefährtin, zu sich und erzählte ihr alles der Ordnung gemäß. Wie diese aber Gul ganz schmerzlich darüber weinen sah, versuchte sie sie mit vielen Reden bis zur Morgenröte zu trösten. Zu dieser Zeit nun pflückte das alte Weib, das die Obhut über den Garten hatte, ein Körbchen voller frischer Rosen und wand einen gar schönen Strauß daraus und brachte ihn Gul, um ihn ihr in des Königs Namen zu schenken. Die aber nahm ihn fröhlichen Antlitzes an und trug ihr auf, dem Gebieter herzlich deswegen zu danken. Da sie solches nun für ein gutes Zeichen ansah, sprach sie zu der Alten: ›O meine Mutter, ich kann wahrlich nicht leugnen, daß dieser Rosenstrauß, den du mir gebracht hast, schön und kunstreich gebunden ist; doch wenn ich ein Körbchen voll der Rosen bekommen könnte, wollte ich dich einen schönen Strauß sehen lassen, welcher den, den du mir gebracht hast, an Schönheit bei weitem übertreffen sollte.‹ Da nun die Alte, die eine große Meisterin in dieser Kunst zu sein glaubte, begierig war zu sehen, was die Jungfrau darin zuwege brachte, ging sie sogleich fort, um Rosen zu pflücken, und brachte sie alsobald Gul, die, um sich selbst zu trösten und um Firischtens Traumwunsch zu erfüllen, sich vor einen Spiegel stellte und sich selbst betrachtend, ihr eigenes Gesicht mit solcher Meisterschaft mit dem Strauße bildete,
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