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Taubenkrieg

Taubenkrieg

Titel: Taubenkrieg
Autoren: S Lüpkes
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musste grinsen. »Du weißt, ein Spaziergang mit mir kann gefährlicher sein als tausend Kilometer Vollgas.«
    »Darüber bin ich mir vollkommen im Klaren.« Er nahm einen Schluck Wasser aus seiner albernen Schnabeltasse. »Aber es gäbe da noch etwas, das wir in Ruhe und unter vier Augen klären sollten, du und ich   …«
    Ja, das gab es. Und zwar dringend. Axel war allein ihretwegen nach Schwerin gekommen. Er hatte sich sogar ins Mündungsfeuer eines zu allem fähigen Kriminellen geworfen, um ihr das Leben zu retten. Bevor das alles geschehen war, hatte der große Held jedoch noch laut und deutlich verkündet, die Sache zwischen ihnen beiden nicht mehr auszuhalten. Und dieser Satz saß gerade unangenehm und aufdringlich mit Wencke auf der Bettkante.
    Doch im selben Moment, in dem Wencke Luft holen wollte, um die drei Worte zu sagen, die ihr auf der Zunge lagen, klopfte es an der Tür, und Boris kam herein.
    »Stör ich?«
    Nein, das tat er nicht, wirklich nicht. In der letzten Woche hatte Wencke ihren Lieblingskollegen von einer ganz anderen |300| Seite kennen- und schätzen gelernt. Er dürfte zu jeder Tages- und Nachtzeit bei ihr ins Zimmer schneien.
    Außerdem kam er gerade aus einem Marathongespräch, bei dem er ausgerechnet KHK Wachtel Rede und Antwort stehen musste. Es interessierte Wencke brennend, was dabei herausgekommen war.
    Boris ließ sich auf den Besucherstuhl sinken, strich die langen Strähnen aus dem Gesicht und sah wirklich so aus, als habe er soeben den Weltrekord einer Extremsportart geknackt. »So ein Mist, Kellerbach ist ihnen entwischt«, begann er.
    »Wie bitte?«
    »Sie sind die Fluglisten durchgegangen. Gestern am späten Nachmittag ist er mit dem Flieger via London nach Las Vegas. Und neben ihm im Flugzeug saßen sein Bruder Tim Beisse und eine Frau namens Heide Grensemann. Wir nehmen an, es handelt sich dabei um die heimliche Freundin von Kellerbach, und es scheint, als sei sie auch die Person, die sich mit Nikola Kellerbach getroffen hat.«
    »Und die Frau auf der Brücke?«
    »Richtig. Nicht vorbestraft, nicht in einschlägigen Etablissements bekannt – Heide Grensemann ist das glatte Gegenteil von einer Bikerbraut. Eine brave Sachbearbeiterin im Gewerbeamt. Niemand wusste von ihrer Beziehung zum Rockeranwalt. Und jetzt hat sie ihr langweiliges Leben zurückgelassen und ist mit ihm durchgebrannt.«
    Wencke musste lächeln. Obwohl weder Beisse, Kellerbach noch dessen Liebste Unschuldslämmer waren, irgendwie freute Wencke sich für die drei. Und heimlich wünschte sie sogar, dass sie den Behörden entkommen würden. Was hatten sie schon getan? Kellerbach und Beisse hatten ein Verbrechen vorgetäuscht, strafrechtlich würde es dabei wahrscheinlich bleiben. Und welche Untaten auf das Konto dieser Heide Grensemann gingen, war schwer nachzuvollziehen, vielleicht war diese Frau |301| ja auch gänzlich unschuldig. Sie hatte es schließlich nicht über sich gebracht, das Getriebe auf die Straße zu werfen.
    Boris machte ein wütendes Gesicht. »Sie wollten mir tatsächlich die Schuld für Kellerbachs Entkommen in die Schuhe schieben. Angeblich hätte ich den Totgeglaubten bei unserer Begegnung im Gebüsch an der Flucht hindern sollen.«
    »Wie sollte das denn gehen? Wir haben dich doch selbst dort gefunden, du warst so fest verschnürt wie ein Weihnachtspaket   …«
    Boris zuckte mit den Schultern. »Die sind halt sauer, weil der Rockeranwalt sie alle an der Nase herumgeführt hat.« Er beugte sich vor und griff nach einem Apfel, der auf Axels Nachttisch lag. »Darf ich?«
    »Du brauchst wahrscheinlich dringender Vitamine als ich«, erlaubte Axel.
    »Na ja, Vitamin B habe ich ja zum Glück. Sieglind Maschler war bei der Befragung anwesend und hat Wachtel dann irgendwann zurückgepfiffen. Sie kann mich ganz gut leiden, denke ich. Eventuell wird sie Gaulys Posten übernehmen, hab ich gehört.« Er biss in den Apfel, und man hörte eine Weile nichts außer sein saftiges Schmatzen und ein medizinisches Piepen im Nachbarraum.
    »Da liegt übrigens Kalle«, berichtete Boris. »Die Ärzte haben ihn rein körperlich so weit wieder aufgepäppelt. Aber wenn er irgendwann einen Spiegel gereicht bekommt, braucht er wahrscheinlich ein paar Wochen, um sich von dem Schreck zu erholen.«
    »Was wird aus ihm werden?«, fragte Wencke, die sich noch immer schuldig fühlte, Kalle nach ihrer Enttarnung nicht schnell genug gewarnt zu haben.
    »Zeugenschutzprogramm«, vermutete Boris. »Aber das wird schwierig
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