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Taran Bd 6 - Der Findling: Geschichten aus Tarans Welt

Taran Bd 6 - Der Findling: Geschichten aus Tarans Welt

Titel: Taran Bd 6 - Der Findling: Geschichten aus Tarans Welt
Autoren: Lloyd Alexander
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du, liegt nicht so sehr darin, Macht zu gewinnen, sondern sie zu behalten. Weil so viele andere sie auch wollen. Du würdest dich wundern, wozu manche dafür nicht alles imstande sind. Sei gewarnt, das Schwert kann verloren gehen oder gestohlen werden. Oder zur Unkenntlichkeit verbogen – so wie es dir, im übertragenen Sinne gesprochen, auch ergehen kann.«
    »Und denke daran«, fügte Orwen hinzu, »du darfst es nie aus der Hand legen, nicht einen Augenblick.«
    Dallben zögerte einen Moment, dann schüttelte er den Kopf. »Ich glaube, euer Geschenk ist mehr eine Last denn ein Segen.«
    »In diesem Fall«, sagte Orddu, »wäre das hier vielleicht besser für dich.«
    Als Dallben das Schwert beiseite legte, reichte ihm die Zauberin eine goldene Harfe, so vollkommen gearbeitet, dass sie, kaum dass er sie in Händen hielt, von allein zu spielen schien.
    »Nimm dies, mein Spatz«, sagte Orddu, »und sei der größte Barde von Prydain, im ganzen Land berühmt für die Schönheit seiner Lieder.«
    Dallbens Herz machte einen Satz, als das Instrument in seinen Armen erbebte. Er strich über die geschwungene Kurve der schimmernden Harfe und ließ seine Finger über die goldenen Saiten streichen. »Solche Musik habe ich noch nie gehört«, murmelte er. »Wer dies besitzt, wird sicher keinen Mangel an Ruhm haben.«
    »Du wirst Ruhm und Bewunderung in Fülle haben«, sagte Orddu, »solange sich jemand an dich erinnert.«
    »Ach, das ist wahr«, meinte Orwen mit einem Seufzer. »Die Erinnerung ist so flüchtig. Sie dauert meist nicht allzu lange; und im Handumdrehen ist dein Ruhm bereits vermodert und zerfallen.«
    Traurig setzte Dallben die Harfe ab. »So schön sie ist«, sagte er, »fürchte ich doch, am Ende nützt sie mir wenig.«
    »Da ist nichts, was wir dir im Augenblick sonst noch anbieten könnten«, sagte Orddu und rumorte noch einmal in der Truhe, »es sei denn, du wolltest dieses Buch haben.«
    Die Zauberin hielt einen großen, schweren Folianten hoch und blies den Staub und die Spinnweben davon ab. »Es ist ein ziemlicher Brocken für ein so kleines Lämmchen wie dich. Natürlich muss es ziemlich gewichtig sein, denn es enthält alles, was man jemals wusste, weiß oder einmal wissen wird.«
    »Es ist voller Weisheit, dick wie Hafergrütze«, fügte Orwen hinzu. »Ziemlich selten auf der Welt – Weisheit, nicht Hafergrütze –, doch das macht es nur noch wertvoller.«
    »Wir haben so viele Nachfragen nach anderen Dingen«, sagte Orddu. »Siebenmeilenstiefeln, Unsichtbarkeitsmänteln und solchem Unsinn mehr. Nach Weisheit so gut wie gar keine. Doch wer dieses Buch besitzt, sollte all das haben und mehr, wenn er will. Denn das Merkwürdige an der Weisheit ist, dass sie umso größer wird, je mehr man sie benutzt; und je mehr man davon austeilt, umso mehr gewinnt man. Du wärest erstaunt, wie wenige das begreifen. Wenn sie es täten, denke ich, würden sie das Buch von vornherein nicht brauchen.«
    »Ihr wollt mir das schenken?«, fragte Dallben. »Einen Schatz größer als alle Schätze?«
    Orddu zögerte. »Schenken? Nur im übertragenen Sinne gesprochen. Wenn du uns so gut kennst, wie du sagst, dann weißt du auch, dass wir eigentlich nichts wirklich verschenken. Sagen wir es so: Wir werden dich dieses schwere, staubige alte Buch mitnehmen lassen, wenn es das ist, was du wirklich willst. Wiederum, sei gewarnt: Je größer der Schatz, umso größer der Preis. Nichts gibt es umsonst; nicht in den Marschen von Morva – noch an irgendeinem anderen Ort, was das betrifft.«
    »Und wenn schon«, sagte Dallben, »dieses Buch ist meine Wahl.«
    »Also gut«, sagte Orddu und legte den alten Wälzer in seine Hände. »Und jetzt solltest du aufbrechen. Es wird uns leid tun, dich gehen zu sehen, obwohl Leid etwas ist, das wir gewöhnlich nicht spüren. Leb wohl, liebes Küken. Wir meinen dies im höflichen Sinne, denn ob du wohl leben wirst oder nicht, liegt ganz allein an dir.«
    Also nahm Dallben Abschied von den Zauberweibern und schritt beherzt von dannen, neugierig auf das, was vor ihm lag, nicht nur in der Welt sondern auch zwischen den Deckeln des Buches. Sobald die Hütte außer Sicht war und die Marschen hinter ihm lagen, zügelte er seine Neugierde nicht länger, sondern setzte sich am Wegrand nieder, öffnete das schwere Buch und begann zu lesen.
    Als er die ersten Seiten überflog, weiteten sich seine Augen, und sein Puls beschleunigte sich. Denn hier gab es Wissen, von dem er sich nie hätte träumt lassen: die
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