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Taran Bd 6 - Der Findling: Geschichten aus Tarans Welt

Taran Bd 6 - Der Findling: Geschichten aus Tarans Welt

Titel: Taran Bd 6 - Der Findling: Geschichten aus Tarans Welt
Autoren: Lloyd Alexander
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entlang, mit dem schweren Buch in den Armen. Bald darauf kam ein Bauer mit einem Pferdewagen vorbeigefahren und rief ihm zu:
    »Komm, Großvater, fahr ein Stück mit, wenn du willst. Das Buch muss eine schreckliche Last sein für einen alten Mann wie dich.«
    »Danke, nein«, antwortete Dallben, »aber ich habe jetzt Kraft genug, um meinen Weg bis zum Ende zu gehen.«
    »Und wo mag der hinführen?«
    »Das weiß ich nicht«, antwortete Dallben. »Ich suche danach.«
    »Na, dann«, sagte der Bauer, »wünsch ich dir viel Glück dabei.«
    »Glück?«, fragte Dallben. Er lächelte und schüttelte den Kopf. »Nicht Glück, aber Hoffnung. Ja, Hoffnung, das ist es.«

Der Stein
    s lebte einst ein Bauer namens Maibon, und als er eines Tages mit seinem Pferdegespann die Straße hinabfuhr, sah er einen alten Mann am Wegesrand, der so schwach und gebrechlich aussah, dass Maibon bezweifelte, der arme Kerl würde noch viele weitere Schritte tun. Maibon bot ihm an, ihn auf seinem Karren mitzunehmen, doch der Alte lehnte ab. Und so kehrte Maibon heim, den Kopf schüttelnd ob solch eines jämmerlichen Anblicks, und sagte zu seiner Frau Modrona:
    »Ach, was für ein Elend ist es doch, wenn einem die Knochen knirschen und knacken und die Augen trüb werden und der Verstand stumpf. Wenn ich daran denke, dass auch mir dies widerfahren könnte! Einem strammen, rüstigen und starken Kerl wie mir? Eines Tages am Stock zu gehen und dass mir die Zähne ausfallen und ich von Haferbrei leben muss wie ein Kleinkind? Es gibt auf der Welt kein übleres Schicksal.«
    »O doch«, antwortete Modrona, »und zwar weder Zähne zu haben noch Haferbrei. Und jetzt mach, dass du an die Arbeit kommst, Maibon, und hör auf, dir unnötige Gedanken zu machen. Hack dein Feld, oder es wird keine Ernte geben, und dann gibt’s nichts zu essen, weder für dich noch für mich, noch für die Kinder.«
    Seufzend und knurrend tat Maibon, wie seine Frau ihm geheißen hatte. Obgleich der Tag schön und wolkenlos war, hatte er keine Freude daran. Die Klinge seiner Axt war schartig, der hölzerne Stil splitterig; seine Säge hatte ihre Schärfe verloren; und seine Hacke, einst glänzend neu, hatte angefangen zu rosten. Keines von seinen Werkzeugen, so schien es ihm, schnitt oder hackte oder grub so gut, wie sie es einst getan hatten.
    »Sie sind so abgenutzt wie der alte Kauz, den ich auf der Straße gesehen habe«, sagte Maibon zu sich selbst. Er spähte zum Himmel empor. »Selbst die Sonne ist nicht mehr so hell, wie sie einmal war, und wärmt mich nicht halb so gut wie früher. Sie ist dünn geworden wie mein Mantel. Und kein Wunder, denn sie scheint schon länger, als ich mich erinnern kann. Dabei fällt mir ein, auch der Mond ist neuerdings ein bisschen welk um die Ränder.«
    »Und was mich betrifft«, fuhr Maibon voller Bestürzung fort, »so bin ich gar in einem schlimmeren Zustand. Mein Appetit ist geschwunden, vor allem nach den Mahlzeiten. Morgens, wenn ich aufwache, muss ich gähnen. Und abends, wenn ich zu Bett gehe, sind meine Augen so schwer, dass ich sie nicht offen halten kann. Wenn der Stand der Dinge jetzt schon so ist, dann wird es nur noch schlimmer sein, je älter ich werde.«
    In der Mitte seines Gejammers fiel Maibons Blick auf etwas, das sich in einer Ecke des Feldes neben einem gefallenen Baum hin und her wälzte und rollte. Maibons erster Gedanke war, eines seiner Schweine könnte aus dem Stall ausgebrochen und dort auf die Suche nach Eicheln gegangen sein. Also eilte er über den Acker zu der Stelle hin. Dann ließ er seine Axt fallen, und der Mund stand ihm vor Staunen offen.
    Dort lag, sich windend, um das unter dem Stamm eingeklemmte Bein zu befreien, eine kurze, gedrungene Gestalt: ein Zwerg mit feuerrotem Haar, das unter einer runden, eng anliegenden ledernen Kappe hervorquoll. Beim Anblick Maibons kniff der Zwerg die blitzenden roten Äuglein zu und hielt die Luft an. Nach wenigen Augenblicken war das Gesicht des Zwergs röter als seine Haare; seine Wangen blähten sich auf und färbten sich purpurn. Dann öffnete er ein Auge und blinzelte Maibon an, der sprachlos auf ihn hinunterstarrte.
    »Was?«, schnappte der Zwerg. »Du kannst mich noch sehen?«
    »Ja, sicher«, entgegnete Maibon, verwunderter denn je, »und ich sehe sehr wohl, dass du unter dem Stamm festgeklemmt bist und nicht loskommst, und dein ganzes Zappeln macht es nur noch schlimmer.«
    Darauf stieß der Zwerg die Luft aus und schüttelte die Fäuste. »Ich kann es nicht!«,
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