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Tapas zum Abendbrot

Tapas zum Abendbrot

Titel: Tapas zum Abendbrot
Autoren: Basel Nicole Frick Marike
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mich nicht regelkonform verhalte, sondern so, wie ich es aus meinem Heimatland kenne? Und dann gibt es natürlich noch den umgekehrten Fall: dass man sich auch im eigenen Land an die Regeln des Partners hält. Dann kommt die Frage auf: Kann ich es aushalten, von meinen eigenen Freunden schief angesehen zu werden, weil ich etwa ein Kopftuch trage oder Alkohol meide?
    Meine Cousine Anna kennt solche Balanceakte. Als sie etwa mit ihrem Freund Aminu aus dem Niger zusammenziehen wollte, da lehnte der ab. Nicht einmal übernachten wollte er bei ihr. Er ging auch nicht mit ihr gemeinsam aus, stellte sie nie seinen Freunden vor. Denn, so sagte er: »Wir sind nicht verheiratet. Wenn du mit mir leben willst, müssen wir auf islamische Weise Mann und Frau werden.« Anfangs sträubte sich Anna dagegen. Sie wollte Aminu nicht heiraten, bevor sie mit ihm zusammengewohnt hatte. Aber nach vier Jahren heimlicher Beziehung willigte sie schließlich doch ein – mit einem Kompromiss: Sie würde mit in die Moschee kommen und sich in einer islamischen Zeremonie trauen lassen, dafür verzichtete er auf eine große Feier. Also setzte sie sich gemeinsam mit ihrer Schwester eines Tages Kopftücher auf und folgte Aminu zum ersten Mal in seine Moschee. Die hatte weder Kuppel noch Halbmond, sondern war in einem ganz normalen Gebäude untergebracht. Der Imam, ein Deutscher, sprach eine Weile über den Islam und über die Ehe. Dann fragte er beide, ob sie einander heiraten wollten. Die Zeremonie dauerte etwa eine dreiviertel Stunde, und am Ende waren Anna und Aminu Eheleute. Jedenfalls, wenn man Aminu fragt. Anna dagegen fühlt sich nicht verheiratet. »Schließlich waren wir nicht auf dem Standesamt«, sagt sie. Vor dem deutschen Staat gelten beide weiterhin als ledig – im Niger dagegen als Ehepaar.
    Bisher ist Anna noch nie in Aminus Heimat gewesen. Denn kennengelernt hat sie ihn in Hamburg, und in Hamburg will sie auch bleiben. Auch Aminus Leben ist jetzt voll und ganz in Deutschland, er will sich sogar einbürgern lassen. Dass Anna Christin ist, spielt für ihn keine Rolle. »Denn – Entschuldigung – der Mann ist immer stark«, sagte er mir einmal. »Er will damit sagen, dass im Islam der Mann in der Familie das Sagen hat und die Religion der Kinder bestimmt«, erklärte Anna. Für sie ist das kein Problem. »Ich finde es gut, wenn Kinder mit einer Religion aufwachsen, einen Halt haben. Ich selbst bin ja nicht sehr gläubig.«
    Immer wieder Kompromisse finden zu müssen – das kennt meine Cousine also sehr gut. Zu manchen dieser Kompromisse muss sie sich durchringen, wie die islamische Hochzeit, andere machen ihr nichts aus: Wenn Aminu zum Beispiel in sein Zimmer verschwindet, weil sie Freundinnen eingeladen hat. Für ihn gehört es sich eben nicht, bei den Frauen zu sitzen. Oder wenn seine Freunde zu Besuch kommen und sie Anna zur Begrüßung nicht einmal die Hand geben. Weil es sich für sie wiederum nicht gehört, die Frau eines anderen Mannes zu berühren. Jeder hat seinen Freundeskreis, seinen eigenen Freiraum. »Das ist doch in Ordnung«, sagt Anna. Sie weiß auch, dass Aminu es nicht gerne sähe, wenn sie männliche Freunde hätte. »Die hatte ich aber sowieso noch nie«, sagt sie. Dass er es überhaupt nicht mag, wenn sie Alkohol trinkt, ignoriert sie dagegen ab und zu. Dann nämlich, wenn sie mit ihren Freundinnen auf die Piste geht. »Aminu hatte auch seine wilde Phase«, sagt sie. »Da hat er auch mal getrunken. Er war ja nicht immer so religiös wie heute.«
    So rein wie ein Neugeborenes
    Alkohol ist gläubigen Muslimen verboten. Sie beten fünfmal am Tag, fasten im Monat Ramadan und verpflichten sich, keinen anderen Göttern neben Allah zu huldigen. Außerdem sollten sie einen Anteil ihres Besitzes den Armen zukommen lassen und einmal im Leben eine Pilgerfahrt unternehmen. Diese »fünf Säulen« des Islams kennt auch Sabine gut – weil sie während ihrer Zeit in Ägypten gar nicht anders kann, als sich mit ihnen zu beschäftigen. Denn damals fängt ihr kleiner Sohn Aron plötzlich an, Fragen zu stellen: »Mama, warum glaubt der Papa an Mohammed und du an Jesus? Und warum soll ich wie der Papa glauben?« Um für ähnliche Fragen in Zukunft besser gewappnet zu sein, beginnt Sabine, sich einzulesen. Die Familie ist begeistert: Die Christin interessiert sich für den
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