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Tao Te Puh

Tao Te Puh

Titel: Tao Te Puh
Autoren: Benjamin Hoff
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„unbehauener Klotz“ umschrieben.
    Dieser taoistische Leitgedanke gilt nicht nur für belebte und unbelebte Dinge in ihrer natürlichen Schönheit und Wesensart, sondern auch für die Menschen. Und für Bären. Womit wir wieder bei Puh sind, dieser reinen Verkörperung vom unbehauenen Klotz. Als Anschauungsobjekt für das Prinzip ist er manchmal fast schon ein bißchen zu einfältig . . .
     
    „Ich glaube, weiter nach rechts wäre besser“, sagte Ferkel ängstlich. „Was meinst du denn, Puh?“
    Puh besah sich seine beiden Pfoten. Er wußte, daß eine davon die rechte war, und sobald man sich entschieden hatte, welche von beiden die rechte war, dann war die andere die linke, das wußte er auch, aber er konnte sich einfach nicht erinnern, wie man anfing.
    „Also“, sagte er langsam —
     

     
    . . . nun, gleichgültig, wie er auf andere wirkt, insbesondere auf alle, die sich durch das äußere Bild narren lassen, Puh, der unbehauene Klotz, ist in der Lage, zu vollenden, was er anpackt, weil er einfältig ist. Wie dir jeder alte Taoist, wenn er gerade einmal aus dem Wald herauskommt, sagen kann, ist einfältig nicht unbedingt gleichbedeutend mit dumm. Bezeichnenderweise entspricht dem taoistischen Ideal der stille, gelassene, reflektierende, spiegelklare Geist, wie er dem unbehauenen Klotz eigen ist, und es hat schon seinen Sinn, daß Puh der wahre Held von Puh der Bär und Puh baut ein Haus ist und nicht etwa die Geistesgrößen Kaninchen, Eule oder I-Ah:
    „Tatsache ist“, sagte Kaninchen, „daß wir irgendwie vom Weg abgekommen sind.“
    Sie hielten gerade Rast in einer kleinen Sandkuhle obern im Wald. Puh war diese Sandkuhle schon ziemlich leid. Er hatte den Verdacht, daß sie ihnen überallhin folgte, denn wohin sie sich auch wandten, endeten sie doch immer wieder darin; und jedesmal, wenn Kaninchen aus den Nebelschleiern heraus wieder zu ihnen stieß, rief es triumphierend: „Jetzt weiß ich, wo wir sind!“, und Puh pflichtete dann traurig bei: „Ich auch.“ Nur Ferkel blieb stumm; es hatte versucht, an etwas zu denken, was es sagen könnte, aber alles, was ihm einfiel, war „Hilfe, Hilfe! “, und das kam ihm albern vor, weil doch Puh und Kaninchen bei ihm waren.
    „Nun“, fing Kaninchen nach langem allgemeinen Schweigen wieder an, da ihm keiner für den netten gemeinsamen Spaziergang dankte, „wir gehen wohl besser weiter, denke ich. Welchen Weg wollen wir jetzt probieren?“
    „Wie wäre es“, sagte Puh bedächtig, „wenn wir diese Kuhle wiederzufinden versuchten, sobald sie außer Sicht ist?“
    „Was hat das für einen Wert?“ fragte Kaninchen.
    „Na ja“, ließ Puh verlauten, „wir suchen doch die ganze Zeit den Weg nach Hause und finden ihn nicht, und da dachte ich, wenn wir nach dieser Kuhle suchen würden, könnten wir sie bestimmt auch nicht finden, und das hätte seinen Wert, denn wir könnten ja etwas finden, wonach wir gar nicht suchen und was vielleicht genau das ist, wonach wir eigentlich suchen.“
    „Darin seh' ich keinen Sinn“, sagte Kaninchen . . .
    „Wenn ich von dieser Kuhle weggehe und dann wieder darauf zugehe, finde ich sie doch bestimmt wieder!“
    „Na ja, ich dachte, vielleicht auch nicht“, äußerte Puh, „ich meinte ja bloß so.“
    „Mach einen Versuch“, sagte Ferkel plötzlich zu Kaninchen, „wir warten hier auf dich.“
    Kaninchen lachte auf, um zu zeigen, wie dumm es Ferkel fand, und verschwand im Nebel. Als es hundert Schritte gegangen war, kehrte es um und ging wieder zurück. . . und nachdem Puh und Ferkel zwanzig Minuten auf Kaninchen gewartet hatten, stand Puh auf.
    „Ich habe eben nachgedacht“, sagte er. „Also dann, laß uns heimgehen, Ferkel.“
    „Aber Puh“, rief Ferkel ganz aufgeregt, „weißt du denn den Weg?“
    „Nein“, erwiderte Puh. „Aber in meinem Küchenschrank stehen zwölf Töpfe mit Honig, und die schreien seit Stunden nach mir. Ich konnte sie vorher nicht richtig hören, weil Kaninchen in einem fort geredet hat; wenn jedoch niemand außer den zwölf Töpfen etwas sagt, glaube ich doch, Ferkel, daß ich erkenne, woher sie rufen. Also los.“
    Sie gingen miteinander davon. Ferkel war eine ganze Zeitlang still, um die Töpfe nicht zu unterbrechen; dann gab es plötzlich ein Quieken von sich . . . und ein Juhu . . . denn allmählich wußte es, wo es war. Aber es wagte noch immer nicht, das laut herauszusagen, falls es doch nicht stimmte. Gerade, als es sich endlich so sicher war, daß es keine Rolle mehr
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