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Tanz mit dem Teufel

Tanz mit dem Teufel

Titel: Tanz mit dem Teufel
Autoren: Daniel Depp
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gesagt, aber es war gut möglich, dass sie schon ihr ganzes Leben darum rang. Wie lange, bis man sich selbst vergab oder es zuließ, dass andere einem vergaben? Und wie hielt man bis dahin durch?
    Es gab nicht viel, was er im Leben nicht verbockt hatte. Dee hatte recht, alles war auf Lug und Trug aufgebaut. Nur darin war er wirklich ganz groß. Man startet mit den besten Absichten, und am Ende stellt einem die eigene Natur ein Bein. Man bildet sich ein, man wäre ein guter Mensch in einer bösen Welt. Aber ist das nicht vielleicht nur die pure Arroganz? Was passiert, wenn es einem dämmert, dass man eventuell selbst der Schweinehund ist, dem keiner zu nahe kommen sollte? Er hatte seine Ehe in den Sand gesetzt. Die Beziehung mit Anna stand auch schon auf der Kippe. Er hatte seinen besten Freund einsam und unter Schmerzen langsam verrecken lassen, und als er die Reißleine gezogen hatte, hatte er es ihm aus blinder Selbstsucht auch noch übel genommen. Und jetzt hatten zwei Männer durch seine Schuld sterben müssen, und er empfand nichts, rein gar nichts. Das machte ihm Angst. Ein guter Mensch hätte etwas empfinden müssen. Spandau beneidete die drei in dem kleinen Haus. Beneidete sie um ihre Hoffnung und um ihre Gewissheit, dass man trotz der schrecklichen Dinge, die der Mensch dem Menschen antut, leben und lieben kann, dass es trotzdem irgendwie weitergeht.
    Wenn sie den durchgeweichten Karton schließlich öffneten, würden sie ein Feuerwehrauto darin finden – alt, etwas angerostet, die rote Farbe leicht verblichen, ein Relikt aus einer Zeit, als man noch Wert auf Stabilität und eine lange Lebensdauer legte. Vielleicht war das Päckchen mit dem Feuerwehrauto, das der Junge so sehnlich erwartet hatte, inzwischen längst angekommen, aber das machte nichts, denn eins wusste Spandau genau: Ein Mann kann nie zu viele Feuerwehrautos besitzen.

70
    Nachdem er den Sonntag durchgefahren war, fand er sich, wie versprochen, am Abend bei Anna ein. Es gab nichts zu sagen, und sie war klug genug, ihn nichts zu fragen. Auch wenn sie sonst nicht viel redeten, beteuerte er ihr fast zwanghaft ein ums andere Mal seine Liebe. Als sie zusammen im Bett waren, klammerte er sich an sie, fast verzweifelt, wie es ihr schien, als ob er Angst hätte, sie könnte ihm davonschlüpfen, obwohl er es doch war, der sich immer weiter von ihr entfernte.
    Ich hab dich verloren, dachte sie. Du bist schon gar nicht mehr ganz bei mir.
    Seine wenigen Sachen hatte er in eine Kiste gepackt. Besser, man brachte es gleich hinter sich, am Morgen würde es noch schwerer werden.
    Nein, er verlasse sie nicht, er ziehe nur wieder zurück in seine eigenen vier Wände. Ja, sie seien immer noch ein Paar, von Trennung könne keine Rede sein.
    Dabei war er ihr schon halb entglitten.
    »Sehen wir uns morgen?«
    »Ich hab ein bisschen was zu erledigen«, sagte er. »Ich ruf dich an.«
    O Gott, dachte sie. O Gott.
    Sie ließ ihn ziehen. Küsste ihn, brachte ihn sogar noch raus zum Wagen. Erst als er außer Sichtweite war, bröckelte ihre mühsam aufrechterhaltene Fassade, und sie ging weinend in die Knie.
    Pam kam aus dem Haus gestürzt und nahm ihre Schwester in den Arm.
    »Er ist es nicht wert«, murmelte sie.
    Anna drückte ihr sanft die Hand. »Wie lange machen wir das eigentlich schon?«
    »Was denn?«
    »Dass du mich tröstet, wenn ich verlassen werde, und mir sagst, dass der Kerl es nicht wert ist.«
    Pam überlegte.
    »Seit deinem neunten Geburtstag, als Larry Burrows diese blöde Göre Sophie Sowieso geküsst hat und du dich auf dem Heuboden verkrochen hast und ihn abfackeln wolltest. Ich hab dir ein Glas Ovomaltine raufgebracht, und zum Schluss haben wir beide aus der Luke gehangen und die Hühner mit brennenden Streichhölzern beworfen. Ich war fünf.«
    »Aber diesmal stimmt es nicht.«
    »Nein, eigentlich nicht«, gab Pam zu. »Du hast es ihm noch nicht gesagt, oder?«
    »Ich will nicht, dass er nur deswegen zurückkommt. Falls er überhaupt zurückkommt.«
    »Und wenn nicht?«
    »Dann kriege ich es trotzdem. Ich habe schon zwei Abtreibungen hinter mir. Beide Male, weil die Erzeuger Arschlöcher waren. David mag der verkorksteste Typ sein, mit dem ich je zusammen war, aber er ist auch ein guter, aufrichtiger Mensch. Ich will es auf jeden Fall behalten, ganz egal, was aus uns wird.«
    Pam hielt ihr die Hand hin. Anna ergriff sie und zog sich ächzend hoch.
    »Ich fühl mich jetzt schon wie ein Zeppelin. Mann, für ein Glas Wein und eine Kippe könnte ich
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