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Tanz mit dem Teufel

Tanz mit dem Teufel

Titel: Tanz mit dem Teufel
Autoren: Daniel Depp
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beiden Männer, deren Erschießung er mit inszeniert hatte. Er wusste es selbst nicht zu sagen. Es waren so viele, die er nicht hatte schützen können. Bevor es wieder Nacht wurde, würde er den Fischen ein Aquarium kaufen. Oder, noch besser, sie gleich ganz weggeben, ihnen ein neues Heim suchen, wo man auf sie aufpasste.
    So ging man nämlich mit den Lebewesen um, die einem am Herzen lagen. Man nahm sie wichtig, man kümmerte sich um sie. Und wenn man selbst es war, der sie in Gefahr brachte, na, dann musste man sich eben aus dem Verkehr ziehen, auch wenn es wehtat.

69
    Er stand am Gartentor. Sie wussten, dass er dort wartete. Die Gardinen bewegten sich.
    Als es anfing zu regnen, stand er immer noch da. Ein Spalt zwischen den Gardinen, ganz kurz sah er ihr Gesicht.
    Es schüttete jetzt wie aus Eimern. Die Haustür ging auf, und Father Michael kam heraus.
    »Sie sind wirklich ein sturer Bock, das muss man Ihnen lassen«, rief er ihm zu. »Aber es hat keinen Zweck, sie will nicht mit Ihnen reden. Und wozu auch? Es ist alles gesagt. Was wollen Sie überhaupt hier?«
    »Weiß ich selber nicht genau.« Spandau lachte. »Aber es könnte etwas mit Vergebung zu tun haben.«
    »Wenn Sie sie überreden wollen, ihm zu vergeben, verschwenden Sie nur Ihre Zeit. Das können Sie nicht von ihr erwarten.«
    »Ich spreche nicht von Jerry«, sagte Spandau. »Ich spreche von mir.«
    »Sie meinen sich? Was gibt’s denn da zu verzeihen, außer dass Sie eine ziemliche Plage sind und Ihre Nase in Sachen stecken, die Sie nichts angehen?«
    »Sagen Sie’s ihr einfach. Bitte.«
    Michael schüttelte den Kopf, drehte sich um und ging zurück ins Haus. Es dauerte lange, bis sie herauskam, in einen dünnen Regenmantel gehüllt, sich statt eines Schirms eine Zeitung über den Kopf haltend.
    »Was wollen Sie von mir, Mr. Spandau? Michael sagt, sie möchten mich um Verzeihung bitten, aber ich wüsste nicht, wofür. Sie haben mir doch gar nichts getan.«
    »Ich habe eine Frage, und ich glaube, Sie sind der einzige Mensch, der sie mir beantworten kann.«
    »Es gießt, Mr. Spandau, und Sie haben mir immer noch nicht gesagt, worum es geht.«
    »Glauben Sie, dass Sie eines Tages imstande sein könnten, ihm zu vergeben? Halten Sie das für möglich? Und ich frage das nicht seinetwegen, sondern meinetwegen.«
    »Gott vergibt uns allen«, sagte sie.
    »Aber ich meine nicht Gott, ich meine Sie. Sie als Mensch. Können Sie sich vorstellen, dass Sie zu so einem Akt der Vergebung fähig wären?«
    Sie überlegte. Der Regen trommelte in unregelmäßigem Takt auf die Zeitung, die sie über sich hielt.
    »Ja, ich glaube, eines Tages werde ich ihm verzeihen können. Es muss möglich sein. Ohne die Möglichkeit der Vergebung könnte ich nicht leben. Das kann keiner. Wir machen so viele Fehler, wir geraten so oft auf Abwege, wir sind so schwach, und die Versuchungen sind so übermächtig. Lesen Sie die Bibel, Mr. Spandau. Sie werden erkennen, dass uns niemand in die Hölle wirft. Wir vergraben uns nur selber drin, hinuntergezogen von all den Dingen, die wir nicht verzeihen, die wir nicht loslassen können.«
    Spandau nickte.
    »Genügt Ihnen das als Antwort?«
    »Es muss reichen«, sagte er.
    »Fahren Sie heim, Mr. Spandau. Kehren Sie dorthin zurück, wo Sie hingehören, und kümmern Sie sich um das, was Sie lieben. Die Vergebung wird sich schon einstellen. Doch das braucht seine Zeit. Ich warte nun schon fünfzehn Jahre darauf, vergeben zu können. Noch ist es nicht so weit, aber ich bin nicht mehr so weit davon entfernt wie am Anfang. Das kann ich Ihnen versichern.«
    Sie legte ihm die Hand auf den Arm.
    »Ich werde für Sie beten, Mr. Spandau. Aber gehen Sie jetzt. Sie haben Ihr Leben, ich habe meins.«
    Als sie wieder im Haus verschwunden war, bemerkte Spandau, dass der Priester und der Junge aus einem Fenster im ersten Stock zu ihm herunterblickten. Mikey winkte. Spandau winkte zurück. Er holte den Karton aus dem Kofferraum und stellte ihn auf der anderen Seite des Gartentors in den Kies. Dann stieg er in seinen Wagen und fuhr davon. Er stellte sich vor, wie sie zu dritt auf den Karton schauten, der da im Regen stand. Ob sie ihn wohl gleich reinholen würden? Oder warteten sie lieber, bis es aufgehört hatte zu regnen? Wahrscheinlich Letzteres, um sich die Spannung noch etwas zu bewahren. Denn so ein unerwartetes Geschenk enthielt eine Fülle Verheißungen.
    Wie lange musste man wohl warten, bis man verzeihen konnte? Fünfzehn Jahre und mehr, hatte sie
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